Was der Aufstieg der Populisten über den Zustand der Demokratie verrät (mit Julian Müller-Kaler)
Shownotes
Weltweit ist die Demokratie auf dem Rückzug. Populismus, autoritäre Formen und rechte Bewegungen sind dagegen auf dem Vormarsch.
Das gilt für autoritäre Regime wie China oder Russland, aber auch für die USA unter Donald Trump und für eine ganze Reihe europäischer Länder. Gleichzeitig findet durch die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz eine Revolution statt, die global immer mehr Bereiche des Politischen, des Staatlichen und des Gemeinwesens durchzieht und verändert.
Was hat das alles zu bedeuten, wo geht diese Entwicklung hin? Was folgt daraus für freie Gesellschaften, und was wird nach dem destruktiven Schub übrigbleiben? Darüber sprechen Martin Bialecki und Katharina Peetz in der letzten Folge vor der Sommerpause mit Julian Müller-Kaler, der in Washington beim Thinktank Stimson Center das Strategic Foresight Hub leitet.
Die vierte Staffel von Pod und die Welt startet am 11. September.
Gast: Julian Müller Kaller, Direktor des Strategic Foresight Hub beim Stimson Center in Washington D.C.
Links und Empfehlungen aus der Folge:
- Ich lebe gern in China. Ich möchte hier eigentlich nicht leben, Jens Mühling, DIE ZEIT, 10. Juni 2025.
- The Unaccountability Machine: Why Big Systems Make Terrible Decisions - and How The World Lost its Mind, Dan Davies, Profile Books 2025.
Die IP zum Lesen? Gibt es natürlich auch! Ob zur Probe, im Jahresabo oder als Geschenk: Das passende Angebot finden Sie hier.
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Transkript anzeigen
00:00:00: "Da besteht meiner Ansicht nach die Möglichkeit der Wiedergeburt für Demokratien, dass sie
00:00:05: eben ihre Resilienz zeigen, über die Neuerfindung und die Debattierung von Problemen.
00:00:09: Weil das können autoritäre Systeme nicht.
00:00:11: Wenn man da falsch abgebogen ist, braucht es eine Revolution, um wieder auf den richtigen
00:00:15: Weg zu kommen."
00:00:16: Weltweit ist die Demokratie messbar auf dem Rückzug, Populismus, autoritäre Formen und
00:00:21: rechte Bewegungen sind dagegen auf dem Vormarsch mancherorts sogar massiv.
00:00:24: "Vor einigen Jahren hätte man sich nicht vorstellen können, wie sehr, in welchem Tempo sich
00:00:29: gemeinsame Werte und Errungenschaften auflösen, Institutionen und Eliten angegriffen werden."
00:00:35: Das gilt für autoritäre Regime, wie China oder Russland natürlich sowieso, aber auch
00:00:40: für die USA unter Donald Trump und für eine ganze Reihe europäischer Länder.
00:00:44: Gleichzeitig findet durch die Entwicklung der künstlichen Intelligenz eine Revolution
00:00:47: statt, die global immer mehr Bereiche des politischen, des staatlichen und des Gemeinwesens
00:00:52: durchzieht und verändert.
00:00:53: Was hat das alles zu bedeuten und wo gibt diese Entwicklung hin?
00:00:58: Was folgt daraus für freie Gesellschaften von heute und was wird übrig bleiben nach
00:01:02: dem destruktiven Schub dieser Zeit?
00:01:04: Darüber können wir heute sprechen mit Julian Müller-Kaler, den wir in Washington D.C.
00:01:08: erreichen, wo er sich beim Think Tank Stimson Center mit strategic foresight, mit globalen
00:01:13: Risiken und Technologie Trends beschäftigt.
00:01:15: Herzlich willkommen bei Pod und die Welt.
00:01:18: "Hallo, freu mich sehr."
00:01:23: Vielleicht fangen wir mit einer Begriffsklärung an heute.
00:01:26: Populismus ist ein Begriff, der ja meistens sehr negativ besetzt ist.
00:01:29: Sie haben mal gesagt, dass diese ausschließlich negative Definition von Populismus schlecht
00:01:35: sei und eigentlich auch gar nicht zutrifft.
00:01:37: Warum?
00:01:38: Ja, ich würde dafür werben, Populismus viel mehr als Fiebertimometer für Demokratien
00:01:45: zu verstehen.
00:01:46: Demokratie ist immer dann stark, wenn das Vertrauen in Problemlösungskompetenzen
00:01:51: von demokratischen Institutionen schaden genommen hat oder quasi nicht mehr vorhanden ist.
00:01:56: Insofern ist Populismus quasi auch ein Korrektiv.
00:01:59: Es gibt ja diesen Satz von Ralph Darendorf, der gesagt hat, was für den einen Populismus
00:02:03: ist, ist für den anderen Demokratie und wenn wir es sozusagen schaffen würden, die Analyse-Kriterien
00:02:09: zu ändern, wäre die Debatte über Ursachen und Wirkung und mögliche erfolgreiche Bekämpfungsstrategien
00:02:16: auch eine andere sein.
00:02:17: Insofern glaube ich, würde es helfen, wenn wir uns von der doch auch eher moralischen
00:02:23: Einordnung des Populismus als etwas schlechten für Demokratien hinbewegen zu sozusagen einem
00:02:30: Fiebertemometer, der eben sagt, dass die Demokratien von heute vor großen Herausforderungen stehen
00:02:35: und deswegen die Populisten stark sind.
00:02:37: Also wenn Populismus nicht unbedingt was schlechtes ist, sondern ein Fiebertemometer, sie forschen
00:02:41: jetzt aber zu globalen Risiken.
00:02:43: Was ist dann das größte globale Risiko, wenn nicht Populismus?
00:02:46: Naja, ich argumentiere nicht, dass Populismus kein Risiko ist, sondern ich würde sagen,
00:02:51: dass der Populismus ein Symptom für die Performance-Schwäche von Demokratien aktuell ist.
00:02:56: Ist das natürlich über diese Henne-Ei-Geschichte, aber dass es vor allen Dingen eben darum
00:03:00: geht, dass der Populismus in westlichen Demokratien vielmehr Symptom als Ursache gesellschaftlicher
00:03:06: Eskalationsprozesse ist.
00:03:07: Nehmen wir die USA als vielleicht Vorreiterbeispiel oder Negativbeispiel.
00:03:13: Natürlich kann man argumentieren, dass Donald Trump eine Gefahr für die amerikanische Demokratie
00:03:17: ist, aber ich würde argumentieren, dass er vielmehr eine Konsequenz eben undemokratischer
00:03:22: und gesellschaftlicher Herausforderung in den Vereinigten Staaten ist.
00:03:26: Was ich damit meine, ist, dass in Amerika, in dem reichsten Land der Welt, seit ungefähr
00:03:32: einer Dekade die durchschnittliche Lebenserwartung sinkt, dass sich ein Großteil der Menschen
00:03:37: von Paycheck zu Paycheck durchhangeln und dass die Wahrscheinlichkeit den amerikanischen
00:03:42: Traum zu leben definiert, als dass es mir besser geht, ökonomisch als meinen Eltern
00:03:47: inzwischen bei unter 50 Prozent liegt.
00:03:49: Insofern ist es wirklich überraschend, dass eine Figur wie Donald Trump und seine populistische
00:03:54: Magerbewegung, die natürlich von der Destruktion des politischen Systems lebt und damit werbt,
00:04:00: so erfolgreich ist.
00:04:01: Ich würde argumentieren, nein, es ist das nicht, sondern es ist vielmehr Symptom als
00:04:05: Ursache.
00:04:06: Und ähnliche Tendenzen sehen wir auch in Europa, ob das der Brexit, ob das der Front National
00:04:10: in Frankreich ist oder eben die AfD in Deutschland.
00:04:13: Stichwort Performance-Probleme, das würde also bedeuten, wenn ich es richtig verstehe,
00:04:17: dass Demokratie schon liefern muss, weil sich die Menschen sonst abwenden und vermeintlich
00:04:23: einfache Lösungen zuwenden.
00:04:25: Es gibt ja dazu nicht nur in Europa eine relativ intensive Debatte, ob Demokratie nun
00:04:30: per se schon die Lieferung ist oder ob sie Ergebnisse liefern muss.
00:04:34: Wie schauen Sie da drauf?
00:04:35: Ich glaube, was Sie ansprechen, ist der zentrale Punkt.
00:04:38: Ich glaube, dass wir uns im westlichen Demokratien viel zu lange und viel zu intensiv mit, was
00:04:44: man als Input-Ligitimitie bezeichnet, beschäftigt haben.
00:04:48: Also es geht quasi darum, dass alle vier, fünf, vielleicht sechs Jahre gewählt wird
00:04:52: und dadurch das System legitimiert wird und das System sozusagen auch dadurch Akzeptanz
00:04:58: findet.
00:04:59: Aber genauso oder vielleicht sogar noch viel wichtiger ist natürlich die Output-Ligitimitie
00:05:04: eines Systems.
00:05:05: Also schafft es ein System, das Leben der Menschen in dem jeweiligen System zu verbessern.
00:05:09: Und ich glaube, dass das ja genau die große Herausforderung ist, also schaffen es liberale
00:05:14: Demokratien noch dieses Wohlstandsversprechen, noch dieses das Leben der zukünftigen Generationen
00:05:20: besser ist, noch aufrecht zu erhalten und dann wieder darauf zurückkommen, dass der Populismus
00:05:25: eben sozusagen ein Fiebertermometer oder ein Symptom jener Krise der Output-Legitimacy
00:05:30: ist, wäre meiner Ansicht nach eine viel nachhaltigerer Herangehensweise, um das Phänomen zu verstehen,
00:05:37: aber auch um effektive Gegenmaßnahmen zu entwickeln, nämlich die zentrale Frage müsste
00:05:43: dann sein, warum haben die Leute das Vertrauen in die Problemlösungskompetenz von demokratischen
00:05:48: Institutionen verloren und wie können wir es zurückgewinnen?
00:05:50: Und haben Sie darauf Antworten?
00:05:52: Ja, ich glaube, dass es natürlich zentral damit zusammenhängt, dass es das Wohlstandsversprechen
00:05:58: in westlichen Demokratien in den letzten Jahrzehnten durchaus negativ tangiert wurde.
00:06:05: Das hat angefangen mit der Finanzkrise, es ist weitergegangen durch hohe Inflationszahlen,
00:06:10: dass sich Arbeiten nicht mehr wirklich lohnt, dass die Einkommensungleichheit massiv nach
00:06:15: oben gegangen ist und dass natürlich auch ökonomische Transformationen im Gange sind,
00:06:20: die das gesamte gesellschaftliche Modell signifikant infrage stellen.
00:06:24: Also wir überlegen uns mal, dass wir inzwischen fast in allen westlichen Demokratien nicht
00:06:29: mehr in einer produktionsbasierten Ökonomie, sondern in einer servicebasierten Ökonomie
00:06:33: leben und dass wir uns mit rasantem Tempo auf eine automatisierte Gesellschaft zu bewegen.
00:06:39: Wir haben aber nach wie vor die Instrumente der Vergangenheit, um diese Gesellschaft zu
00:06:44: managen, um Steuern zu generieren, dass wir Einkommen höher besteuern als Kapitale
00:06:48: Beträge oder derartige Entwicklungen und das dann sozusagen das System nicht mehr funktioniert,
00:06:54: dass wir auch irgendwie seit Jahrzehnten nicht wirklich in Infrastruktur investiert haben
00:06:59: und bei uns die Züge nicht mehr pünktlich kommen und die Infrastruktur auseinanderfeld
00:07:03: überall Baustelle ist.
00:07:04: Das sind alles so Faktoren, wo ich es glaube, dass man argumentieren könnte, dass eben
00:07:10: das System nicht mehr so liefert, wie es das tun sollte und dann lediglich darauf zu verweisen,
00:07:15: dass die Populisten eine Gefahr für dieses System ist.
00:07:19: Damit tue ich ihnen den Gefallen, nämlich den Außenseiterstaat ist zu geben, den sie
00:07:22: brauchen, um ihr populistisches Narrativwirkungsmächtig zu machen.
00:07:26: Das heißt, kurz Nachfrage, wenn ich Sie richtig verstehe, dann ist Demokratie ein zu abstrakter
00:07:33: Begriff, um zu sagen, wir müssen die Demokratie verteidigen oder die Demokratie geht in Bach
00:07:37: runter, sondern es geht um viel konkretere, lebensnähere, praktische Fragen und nicht
00:07:42: um die Demokratie selbst, richtig?
00:07:44: Ja, absolut, ich glaube, dass sich eine Demokratie langfristig auch nie gegen die eigene Bevölkerung
00:07:49: verteidigen lässt.
00:07:50: Also, was wir aktuell sehen, sind ja quasi illiberiale Systeme, die demokratisch legitimiert
00:07:56: sind.
00:07:57: Ein Donald Trump ist demokratisch gewählt worden, ein Viktor Orban ist demokratisch
00:08:01: gewählt worden.
00:08:02: Ein Brexit wurde demokratisch entschieden, also ist es immer sehr schwierig, dann von
00:08:06: der Gefahr der Demokratie zu sprechen, anstatt quasi von der Gefahr die liberalen Elemente
00:08:11: der Demokratie nicht mehr in dem Maße zu schützen, wie das traditionell der Fall war.
00:08:17: Insofern, glaube ich, wird da immer viel vermengt und dieser Vorwurf, dass die Populisten
00:08:22: als Gefahr für die Demokratie da sind, wenn jemand nicht mehr der Ansicht ist, dass Demokratie
00:08:27: funktioniert und ich dann sage, na ja, die Populisten für die Person X oder Y stimmen,
00:08:33: sind eine Gefahr für das System, dann sagt er, ja, genau deswegen wähle ich ja für die.
00:08:37: Also, das fand ich sehr interessant, als bei der letzten Wahl CNN, diese sogenannten
00:08:41: Brexit Polls gemacht hat und Demokratie von einem Großteil der Leute als wichtiges Thema
00:08:47: angesprochen wurde, nur dann bei näherer Ansicht hat man auch festgestellt, dass 50
00:08:52: Prozent aller Republikaner, die für Donald Trump gestimmt haben, gesagt haben, dass
00:08:55: ihnen Demokratie wichtig ist.
00:08:57: Insofern kann man nicht davon ausgehen, dass sozusagen die Eliten oder das politische
00:09:01: Establishment den Begriff der Demokratie allein interpretieren können, sondern dass
00:09:05: das am Ende ja immer auch die Entscheidung der Bevölkerung ist, die in dieser Demokratie
00:09:09: lebt.
00:09:10: Jetzt haben wir viel über westliche Demokratie, westliche Demokratie in der Krise gesprochen,
00:09:18: es gibt natürlich auch andere Beispiele, wenn wir nach China schauen, ist das dann das
00:09:22: attraktivere Modell oder inwiefern ist das vielleicht nicht ausreichend abschreckend?
00:09:26: Ja, es gab einen wunderschönen Artikel in der Zeit vor ein paar Wochen, der davon
00:09:30: geschrieben hat, dass es quasi eine Dystopie mit beneidenswerten Vorteilen ist, also dass
00:09:35: genau da dieses Wohlstandsversprechen eine Großteil der Bevölkerung aus der Armut zu
00:09:40: holen, über eine kurze Zeit genau dazu geführt hat, dass derartige Gesellschafts- und Entwicklungsmodelle
00:09:46: auch im Rest der Welt attraktiver wird, wenn man das mal vergleicht mit dem letzten Kalten
00:09:51: Krieg, also Sowjetunion gegen die Vereinigten Staaten.
00:09:54: Natürlich kann man argumentieren, dass die Amerikaner, die Sowjetunion sozusagen über
00:10:00: Rüstungsausgaben und dergleichen in die Knie gezogen hat, aber ich würde argumentieren,
00:10:05: dass der Grund, warum Amerika den letzten Kalten Krieg geworden hat ist, weil das Lebensmodell
00:10:09: einfach viel, viel attraktiver war.
00:10:11: Niemand wollte in die Sowjetunion ziehen, um dann eine Familie groß zu ziehen, sondern
00:10:15: alle wollten nach Amerika.
00:10:17: Wenn man sich heute Migrationszahlen anschaut oder anschaut, wie viele Leute, die von Universitäten
00:10:23: kommen, wieder auch in andere Länder zurückgehen, hat dieses Attraktivitätsmodell in den letzten
00:10:28: Jahren massiv gelitten, genau eben aufgrund dieser ökonomischen Trends, dass Amerika
00:10:34: das Leben extrem teuer geworden ist, dass dieses Wohlstandsversprechen, das sich harte Arbeit
00:10:38: lohnt, eben nicht mehr so voll umfänglich gilt, wie es das früher tat.
00:10:43: Und ich glaube, dass das zentrale Element auch in diesen Autoritarismus vs. Demokratie
00:10:50: narrativ in Zukunft zahlen wird.
00:10:52: Wenn wir diesen Wettbewerb der Ideen oder der Systeme gewinnen wollen, müssen wir uns vor
00:10:56: allen Dingen darum kümmern, dass das Leben und das Versprechen des Wohlstands bei uns
00:11:01: wieder gilt und wahrscheinlicher ist und nicht uns darauf die ganze Zeit beschränken, vor
00:11:07: anderen Systemen zu warnen oder von Kräften zu warnen, die unser System unterminieren,
00:11:12: sondern am Ende des Tages muss das System einfach liefern und somit an Attraktivität
00:11:17: gewinnen und nicht lediglich Verteidigung eben jenes Systems als Hauptgrund für den Konflikt
00:11:22: zu gehen.
00:11:23: Also das finde ich ein sehr schwaches Argument und es funktioniert aktuell ja auch nicht.
00:11:26: Da würde ich gerne nachhaken, so qualitische Bilder wie die Europäische Union oder auch
00:11:31: theoretische Konzepte wie, sagen wir mal, Multilateralismus, das ist ja nichts, was Menschen irgendwie
00:11:36: emotional berühren würden oder sozusagen abholt.
00:11:39: Kann man das ändern, wenn ja, wie braucht man überhaupt so ein übergreifendes Gefühl
00:11:44: von Verantwortung, so einem aufgehoben Seinsgefühl oder geht es wirklich vor allem um dieses
00:11:49: Wohlstandsversprechen?
00:11:51: Also ich glaube, dass dieses Wohlstandsversprechen und diese Idee des aufgehoben Seins der Sicherheit
00:11:58: eigentlich zwei Seiten der gleichen Medaille sind, dass es nicht quasi exklusiv gegeneinander
00:12:03: ausgespielt werden kann, sondern dass es vielmehr eigentlich ein Gesamtkonstrukt ist und ich
00:12:08: finde es eigentlich auch immer sehr schade, dass man den Leuten quasi auch die Möglichkeit
00:12:12: abspricht zu sehen, ob ein System funktioniert oder nicht.
00:12:15: Meine Erfahrung auch mit Leuten zu sprechen, die für populisten Stimmen oder die das Vertrauen
00:12:20: in die Problemlösungskompetenz von demokratischen Institutionen verloren haben, ist eigentlich
00:12:24: immer, dass die Leute eigentlich ein ganz gutes Gefühl davon haben, ob ein System funktioniert,
00:12:29: ob das System politisch oder korrupt unterwandert ist in vielerlei Hinsicht und da den Leuten
00:12:36: quasi zuzuhören und sich zu überlegen, okay, was sind die Dinge, die dich tatsächlich
00:12:40: beschäftigen und wie kann man effektiv dafür Lösungen suchen?
00:12:44: Weil ich glaube, dass das eigentlich ja auch eine wahnsinnige Chance ist.
00:12:48: Im Hinblick, wenn man es schaffen würde, sich mit der Kritik, sagen wir mal an der EU,
00:12:52: Sie haben es gerade angesprochen, zu solidarisieren, um dann bessere Lösungsansätze formulieren
00:12:58: zu können, wäre das eine viel nachhaltige Strategie anstatt von vornherein die Kritik
00:13:04: zu delegitimieren, weil sie von populisten kommt.
00:13:06: Sie ist ja sowieso da, also dieses Ausschlussprinzip, das man in Deutschland zum Beispiel mit der
00:13:11: AfD erfahren hat, ist ja kandios gescheitert, die AfD ist so stark wie noch nie in Amerika,
00:13:18: die Warnung vor Populisten, die demokratische Partei befindet sich in einer absoluten Identitätskrise,
00:13:23: weil die letzten acht Jahre nur davon gezehrt wurde, Anti-Donald Trump zu sein.
00:13:28: Also die Strategie, die gefahren wurde, funktioniert da aktuell nicht und deswegen würde ich dafür
00:13:32: werben, dass man eben neue Strategien sich ausdenkt in neue Analyse auch der Symptome
00:13:38: vornimmt, um dann bessere Lösungsvorschläge anbieten zu können.
00:13:42: Sei es, was die EU anbelangt, sei es, was es ökonomische Modelle anbelangt oder sei es,
00:13:46: was Multilateralismus anbelangt, der sich, und da muss man der Kritik eben auch zustimmen,
00:13:51: für viele Amerikaner nicht gelohnt hat.
00:13:53: Wenn sie sagen, Menschen merken, wenn ein System nicht funktioniert, zum Beispiel was Korruption
00:14:02: angeht, dann ist, ja würde ich denken, die Sorge aber, dass man das dann vermerkt, aber
00:14:06: vielleicht nicht mehr so leicht wieder umkehren kann.
00:14:09: Wir beobachten jetzt auch schon Rückschritte, wir beobachten, dass zum Beispiel die Rechtsstaatlichkeit
00:14:13: zurückgebaut wird oder Institutionen wie Gerichte eben angegriffen werden.
00:14:16: In dieser Zeit der Rückschritte, der teilweise eben auch Zerstörung, sehen Sie da noch
00:14:21: einen Weg zurück?
00:14:23: Ich glaube, dass es kein einfacher Weg wird, keine Frage, aber ich sehe keine Alternative dazu,
00:14:27: weil wenn wir es nicht schaffen, dann ist es natürlich so, dass die liberalen Elemente
00:14:33: der Demokratie sterben.
00:14:34: Nur nehmen wir das Amerika Beispiel vielleicht, weil ich glaube hier der Grad des Populismus
00:14:40: in der politischen Auseinandersetzung sehr hoch ist, also wenn man das theoretisch erklären
00:14:44: möchte und Populismus als inherenten Teil der politischen Logik versteht und es immer
00:14:49: quasi um gerade des Populismus in der politischen Rhetorik geht, würde ich sagen, dass amerikanische
00:14:54: politische Geschehen sehr populistisch ist, nicht erst seit Donald Trump, sondern schon
00:14:59: länger und würde den aktuellen Präsidenten eigentlich fast viel mehr als Konsequenz bzw.
00:15:06: Weiterführungen von Obama sehen denn als Destruktion und das klingt natürlich erstmal etwas merkwürdig,
00:15:12: keine Frage, weil Trump natürlich auch einen sehr großen Anti-Obama-Wahlkampf geführt
00:15:17: hat.
00:15:18: Aber und das sagt nicht ich, sondern das sagt der ehemalige Redenschreiber von Obama, der
00:15:22: darüber in seinem Buch schreibt, der Wahlkampf von Barack Obama gegen Hillary Clinton 2008
00:15:27: war dem Wahlkampf von Donald Trump gegen Hillary Clinton 2016 sehr, sehr ähnlich.
00:15:32: Washington is broken, it needs an outsider to fix it and politicians can't be trusted.
00:15:36: Das war genau das gleiche Narrativ des Barack Obama gegen Hillary Clinton in den Vorwahlen
00:15:41: der demokratischen Partei 2008 zuhause geführt hat, weil die Leute sagen, das politische System
00:15:47: ist kaputt, nehmen wir eine Hausanologie, das Haus muss sozusagen renoviert werden.
00:15:52: und Obama, der mit einem unglaublichen politischen Mandat aussieht.
00:15:55: ausgezeichnet, weil der Supermajorities im Kongress hat es sozusagen nicht geschafft
00:16:01: oder er konnte nur marginal an einzelnen Schrauben drehen.
00:16:04: Was ist die Alternative, wenn das Haus sozusagen vom besten Architekt nicht mehr wieder aufgebaut
00:16:10: werden kann?
00:16:11: Es ist der Abriss.
00:16:12: Und Donald Trump ist die Abrissbirne, die durchs politische System fegt.
00:16:15: Genau von den Staaten legitimiert, die 2008 und 2012 noch Barack Obama gewählt haben,
00:16:21: nämlich Ohio, Michigan, Pennsylvania und Wisconsin.
00:16:23: Das ist genau der Teil Amerikas, wo diese ökonomische Transformation von einer produktionsbasierten
00:16:29: Ökonomie hin zu einer servicepartierten Ökonomie am meisten sozial durchgeschlagen hat.
00:16:33: Und was hat man zum Beispiel in Deutschland massiv an Geld ausgegeben, um den ökonomischen
00:16:38: Wandel im Ruhrgebiet sozial verträglich zu machen?
00:16:41: In Ländern, wo man das nicht gemacht hat, sind die Leute zu Populisten übergewandert
00:16:46: und das ist ja ein ähnliches Phänomen, das wir in allen eigentlich westlichen Demokratien
00:16:50: sehen, nämlich, dass Leute, die früher Sozialdemokraten linke Politik gewählt haben,
00:16:55: inzwischen bei den Rechtspopulisten gewandert sind.
00:16:57: Und was haben die Linken, was haben die Sozialdemokraten als Antwort eigentlich nur noch Ablehnung
00:17:02: und Abwertung gegenüber ihrer vorherigen Wähler übrig und dass man sie so dann dahin
00:17:08: geht, nicht zurückgewinnen kann, ist meiner Ansicht nach keine wirkliche Überraschung.
00:17:12: Und wenn das nicht weiter gelingt, dann sehe ich keine Zukunft für die liberalen Demokratien
00:17:18: im Westen.
00:17:19: Das System ist broken, das Haus ist kaputt und der Weg zurück ist schwierig.
00:17:24: Braucht es denn Herr Müller-Kaler, neue Institutionen, um einen Weg nach vorne zu
00:17:29: weisen?
00:17:30: Also ich glaube, dass es vor allen Dingen erstmal die Übernahme von Verantwortung und
00:17:34: das Zugeben von Fehlentscheidungen ist.
00:17:36: Ich glaube, dass Vertrauen natürlich wie in Beziehungen etwas ist, was man leicht verspielt
00:17:42: und sehr schwierig wieder zurückgewinnen kann und dass ein Vertrauensgewinn damit anfängt,
00:17:47: dass wir politische Entscheidungsträger und politische Akteure haben, die gemachte Fehler
00:17:52: auch zugeben.
00:17:53: Es gibt ein wunderbares Buch von einem britischen Journalisten, das heißt "The Unaccountability
00:17:57: Machine", wo wir individuelle Accountability, also Verantwortung, immer aufs System abgeschoben
00:18:03: haben über Verrechtlichungen von Politik, über extrem komplexe Konstrukte, wo individuelle
00:18:10: Verantwortung quasi nicht mehr möglich ist.
00:18:13: Die Finanzkrise ist ein wunderbares Beispiel, keiner von den Leuten, die Fehlentscheidungen
00:18:17: getroffen haben, muss sich in irgendeiner Art und Weise mit den Konsequenzen leben, sondern
00:18:20: die wurden vor allen Dingen bei den normalen Leuten gespürt, das wahnsinnig viel Vertrauen
00:18:26: verspielt hat.
00:18:27: Das heißt, es muss damit anfangen, dass man für gemachte Fehler Verantwortung übernimmt.
00:18:31: Und dann, wie Sie ansprechen, geht es natürlich auch darum, neue Antworten auf neue Probleme
00:18:37: zu finden, dass wir in einer automatisierten Gesellschaft, wo Wohlstandsgenerierung von
00:18:45: Arbeit entkoppelt ist, natürlich ganz andere Antworten brauchen, als in einer produzierenden
00:18:50: Ökonomie, wo das Wohlstandsversprechen immer auch damit verbunden war, dass ein Unternehmen,
00:18:55: wenn es mehr ökonomisch produziert, auch mehr Arbeiter hat, das ist ja einfach definitiv
00:19:00: nicht mehr der Fall.
00:19:01: Insofern braucht es auch neue Antworten.
00:19:03: Insofern würde ich argumentieren, dass es quasi zwei Schritte gibt, nämlich einmal
00:19:06: zu sagen, okay, Fehler wurden gemacht, wir müssen wieder auch ein System der individuellen
00:19:11: Verantwortlichkeit herstellen, und es braucht politische Akteure, die die Sorgen der Leute
00:19:16: ernst nehmen.
00:19:17: Sie aufgreifen diese politische Energie, diese Frustration, die sich im Populismus
00:19:23: in politische Energie umwandelt, um dann über die Lösungen zu diskutieren.
00:19:28: Weil da wären Populisten ja zu schlagen, ihnen geht es ja vor allen Dingen um destruktiven
00:19:33: Teil ihrer politischen Kraft.
00:19:35: Und sobald es darum gehen würde, um Lösungsprobleme zu sprechen, könnte man sie meiner Ansicht
00:19:41: nach thematischer Herausforderung, aber in der Debatte kommt man nie dahin, weil es
00:19:45: von vornherein immer darum geht, dass die Systemkritik ja nicht legitim ist, weil sie
00:19:50: von Populisten kommt.
00:19:51: Wenn ich Ihnen so zuhöre, dann wird ja auch nochmal deutlich, dass Populismus eben, man
00:19:55: hört Populismus irgendwie gut zu.
00:19:57: Es ist eine gute Geschichte oder auch eine destruktive Geschichte, aber es ist eben gut
00:20:01: erzählt.
00:20:02: Inwiefern fehlt es oder Sie beschreiben es fehlt an anderen Ansätzen, aber wie könnte
00:20:06: denn überhaupt ein progressiver, ein neuer, ein konstruktiver Ansatz und ein konstruktives
00:20:10: Narrativ aussehen?
00:20:11: Ja, ich glaube, dass es eine positive Version des Populismus geben müsste, dass man sich
00:20:17: wie gesagt mit der Systemkritik in gewisser Art und Weise solidarisiert, dass man, und
00:20:22: das war ja eine Kernidee des linken Gedankenguts über lange Zeit, Populismus war ja ursprünglich
00:20:29: eigentlich in errenter Teil der politischen linken Logik und er ist inzwischen nach rechts
00:20:34: gewandert, wobei ich auch ansprechen würde, dass diese Unterteilung zwischen links und
00:20:39: rechts politisch gesehen sehr, sehr schwierig, inzwischen finde Donald Trumps Handels und
00:20:45: Wirtschaftspolitik ist in vielerlei Hinsicht sehr links, also der Protektionismus der amerikanischen
00:20:50: Wirtschaft aktuell ist sozusagen Wet Dream of a Socialist oder Protectionist in der Hinsicht.
00:20:56: Insofern vielleicht hilft es auch nicht mehr, in diesen alten politischen Kategorien zu
00:21:00: denken, sondern der Economist hat das mal vor ein paar Jahren eingeführt von Drawbridge
00:21:05: Up with a Strawbridge Down, also Leuten, die von die Globalisierung, wie sie organisiert
00:21:10: wurde, unterstützen, beziehungsweise Leute, die das ablehnen. Und JD Vance, der ja auch
00:21:16: seine Kampagne, Senatskampagne in Ohio darum aufgebaut hatte, dessen Kritik an der Globalisierung,
00:21:22: wie sie orchestriert wurde, ist ja nicht grundlegend falsch, da einzugehen und zu sagen, ja, wir
00:21:28: stimmen mit dieser Kritik überein, aber was macht ihr denn ums besser zu tun? Wir stimmen
00:21:33: überein, zum Beispiel jetzt auf Deutschland bezogen, dass die Migrationsthematik eine
00:21:37: riesige Herausforderung ist, dass die Leute, die in Deutschland arbeiten, mehr in der Tasche
00:21:42: haben sollten als Leute, die es nicht tun, mit der kritikstimmigen Beine. Und hier sind
00:21:47: Lösungsvorschlag X, Y und Z, um das besser zu machen. Und dann darüber wird diskutiert,
00:21:53: wie wir ein Problem lösen kommen, anstatt darüber zu diskutieren, ob es überhaupt
00:21:57: ein Problem ist. Ich glaube, das wäre ein nachhaltiger Ansatz, mit Populisten umzugehen
00:22:03: und wenn es dann heißt, dass die Kritik dann auch populistisches, na ja, dann sei es eben
00:22:08: so, wenn der Populismus nicht mehr nur als Kampfbegriff in der politischen Auseinandersetzung
00:22:12: genutzt wird, sondern eben als Fiebertermometer im demokratischen Diskurs, müssten wir konsterniert
00:22:18: feststellen, dass Demokratien aktuell Fieber haben und jetzt muss es darum gehen, wie wir
00:22:22: dieses Fieber senken können, damit die Probleme, die die Leute fühlen, die die Leute gelöst
00:22:27: haben wollen, dann auch Teil der Debatte sind, um Lösungen gemeinsam zu erarbeiten und
00:22:32: dieses System wieder handlungsfähig und die Output-Dymissie zu erhöhen, so dass die
00:22:38: Leute gerne und lieber in Demokratien leben, als sich alternative Formen ausdenken, wo
00:22:44: das Wirtschaftsversprechen vielleicht schneller und teilweise sogar auch nachhaltiger umgesetzt
00:22:49: wird.
00:22:50: Wie sehr werden denn diese ja sehr profunden Veränderungen in Gesellschaften, die aktuellen
00:22:59: Entwicklungen, wie sehr wird das auch von Technologie getrieben?
00:23:02: Sie haben Automatisierung genannt, Stichwort Künstler, die Intelligenz und andere, dahinter
00:23:06: stehen auch Interessen.
00:23:07: Wie ist der Zusammenhang zwischen diese Entwicklungen und Technologie?
00:23:10: Ja, ich glaube, dass der Zusammenhang zwischen Technologieentwicklungen und gesellschaftlichen
00:23:15: Veränderungen nicht größer sein könnte.
00:23:19: Ich glaube, dass es am Ende auch immer darum geht, wie eine Gesellschaft Märkte, die durch
00:23:25: technologische Entwicklungen teilweise neu geschaffen werden oder eben signifikant geändert
00:23:30: werden, wie das aufgegriffen wird, wie das eingeschlossen wird.
00:23:34: Das Buch zum Beispiel von Karl Polani, der argumentiert, dass die ökonomische Transformation
00:23:39: von einer agrarbasierten Gesellschaft hin zu einer produktionsbasierten Gesellschaft und
00:23:44: der Menschess der Kapitalismus in den großen Teilen dazu geführt haben, dass es in Europa
00:23:49: zum Aufstieg des Faschismus gekommen ist und in Amerika das nicht stattgefunden hat
00:23:52: über Sozialmarktreformen.
00:23:54: Überlegen wir uns, dass der Servicesektor, diese sogenannte Gequeconomie, nie wirklich
00:24:00: diese Sozialmarktreformen gesehen hat.
00:24:02: Ein Uberdriver lebt quasi im Manchester Kapitalismus, wenn er früh aufwacht und krank ist.
00:24:07: Dann gibt es hundert andere Uberdriver, die ihn fahren.
00:24:11: Das ist wie früher in der Fabrik, wo jemand, der sich den Arm gebrochen hat, einfach mit
00:24:15: einem anderen, der draußen stand und gewartet hat, ausgetauscht wird.
00:24:18: Jetzt erleben wir uns sozusagen die Konsequenzen dieser ökonomischen Transformation.
00:24:23: Wir müssen überlegen, wie wir in einer servicebasierten Gesellschaft Wohlstand und Umverteilung ermöglichen.
00:24:30: Und jetzt befinden wir uns in einer automatisierten Gesellschaft, wo ganz viel automatisiert wird,
00:24:36: nicht nur im produzierenden Berühr, sondern auch inzwischen im servicebasierten Bereich.
00:24:40: Das heißt, diese ökonomischen Transformationen, die wir als Gesellschaft in atemberaubender
00:24:45: Geschwindigkeit erleben, gilt es genau eben zu absorbieren.
00:24:48: Da gilt es, neue Ideen zu schaffen und es eben nicht den privaten Interessen zu überlassen,
00:24:55: die sie ansprechen, die natürlich erst mal an Gewinn und Profitmaximierung und Effizienzsteigerung
00:25:00: interessiert sind, sondern dass wir gesellschaftliche Modelle uns überlegen, wo eine breite Masse
00:25:05: der Bevölkerung davon profitiert und eben nicht nur einige wenige wie das aktuelle
00:25:10: Fall ist.
00:25:11: Und ich glaube, da liegt ja auch die große Chance, Demokratie ist ja immer korrekturfähig.
00:25:16: Sie ist ja immer in der Lage, sich konstant zu revolutionieren und konstant auf Fehler
00:25:21: zu reagieren.
00:25:22: Nur, man muss es eben machen und ich habe das Gefühl, dass die Demokratien eigentlich
00:25:27: sehr statisch geworden sind, sondern dass es auch nicht mehr wirklich Alternativen gibt.
00:25:31: Ich meine, es gibt dann Grund, warum die AfD Alternative für Deutschland heißt.
00:25:35: Es ist ja nicht von irgendwo her, sondern dass oftmals Politik als alternativlos dargestellt
00:25:39: wird.
00:25:40: Das ist natürlich nicht.
00:25:41: Also eine Verrechtlichung von Politik ist meiner Ansicht nach eine fatale Fehlentscheidung,
00:25:45: weil Rechtssysteme ja auch immer nur gesellschaftliche Konstrukte, soziale Konstrukte sind, die am
00:25:50: Ende geändert werden können.
00:25:51: Und da besteht meiner Ansicht nach die Möglichkeit der Wiedergeburt für Demokratien, dass sie
00:25:57: eben ihre Resilienz zeigen über die Neuerfindung und die Debattierung von Problemen, weil
00:26:02: das können autoritäre Systeme nicht.
00:26:04: Wenn man da falsch abgebogen ist, braucht es eine Revolution, um wieder auf den richtigen
00:26:08: Weg zu kommen.
00:26:09: Und das braucht es in Demokratien eben nicht.
00:26:12: Insofern bin ich der festen Überzeugung, dass es ein nachhaltigeres System ist, wenn
00:26:16: man es tatsächlich wirklich anwendet.
00:26:18: Ich würde noch einmal kurz auf die künstliche Intelligenz noch mal kurz zu sprechen kommen,
00:26:22: weil Sie beschrieben haben.
00:26:23: Also natürlich geht viel um private und ökonomische Interessen, aber wir wissen auch, China und
00:26:28: die USA sind vor allem in diesem Bereich führend und Europa ist irgendwie immer noch ein bisschen
00:26:33: auf der Suche nach seiner Strategie.
00:26:34: Wenn Sie etwas längerfristig gefragt, wird diejenige Macht der Staat, der KI wirklich
00:26:41: zu nutzen, war es auch derjenige sein, der die Welt beherrscht?
00:26:46: Das ist natürlich jetzt nochmal eine große Frage zum Schluss des Podcasts.
00:26:51: Ich glaube, dass Europa in einer sehr unangenehmen Position aktuell ist.
00:26:57: Über lange Zeit waren amerikanische Sicherheitsgarantien und der Absatzmarkt in China zentrale
00:27:03: Bestandteile unseres Wohlstands gerade in Deutschland.
00:27:06: Um diese zentralen Standbeine des Wohlstands fallen weg und wir müssen uns auf eigene
00:27:11: Füße stellen und man hat jetzt auch gesehen im Hinblick auf den Handelstil, den die Europäer
00:27:17: mit den Amerikanern gemacht haben und anderweitige Regulierungen, das weiße Haus hat gerade
00:27:22: quasi seine Politik vorgestellt, wo die KI-Regulierung dahingehend interpretiert wird, dass man erst
00:27:28: einmal alles zulässt, bis irgendetwas schief geht und man dann anfängt, was zu regulieren
00:27:33: und der Ansatz in Europa ist natürlich eigentlich ein anderer, der Ansatz in China ist ein anderer.
00:27:38: Aber das sind natürlich große Herausforderungen, gibt den schönen Satz, dass wenn die Elefanten
00:27:43: kämpfen, ist es das Gras, das darunter leidet und ich glaube, wir müssen extrem aufpassen,
00:27:47: dass Europa nicht das Gras ist, das in diesem Großmachtkonflikt zerrieben wird, aber
00:27:53: eigene Kapazitäten aufzubauen, ist natürlich vor allen Dingen sehr komplexes, aber vor
00:27:57: allen Dingen sehr teures unterfangen und ich glaube, dass den nächsten Schritt in der
00:28:02: ganzen KI-Debatte wird natürlich die Anwendungsfrage sein, also wie schafft man es KI-Tablikationen
00:28:09: in Gesellschaft und Wirtschaft zu integrieren? Nur Innovation der Innovation wegen ist jetzt
00:28:14: ja auch nicht so zielführend, sondern es muss ja auch am Ende ein Ziel um sozialverträgliche
00:28:19: Innovationen und sozialverträgliche Informat-Implementierung gehen und nur Angst zu haben, dass man sozusagen
00:28:24: ökonomisch hinten runter fällt und deswegen auch alle Regulierungen über Bord wirft,
00:28:29: halte ich für eigentlich einen Himmelfahrtskommando, weil man dann genau die Probleme, die man
00:28:34: versucht zu verhindern, dadurch schafft, insofern wäre europäische Entscheidungsträger gut
00:28:39: beraten, sich nicht nur mit den primären und säkateren Effekten, sondern auch den Tärzehren
00:28:45: von modernen Technologien und Kain auseinanderzusetzen und sich zu überlegen, was das gesellschaftlich
00:28:50: bedeutet, wenn wir hier einen ähnlichen Wild West-Kansatz an den Tag legen, der meiner
00:28:55: Ansicht nach mit so vielen gesellschaftlichen Implikationen verbunden wird, dass wir die
00:29:00: Konsequenzen dann erst merken, wenn es schon zu spät wird. Insofern würde ich Europa mutigen,
00:29:05: eigene Kompetenzen aufzubauen und auch eigene Wege zu gehen und ein besseres, wie jeder,
00:29:11: das passt ja zum Thema dieses Podcasts, ein besseres alternatives Modell zu generieren,
00:29:15: in dem die Leute dann gerne und gut aufleben. Sagt Julian Müller-Kahler, er leitet in
00:29:20: Washington D.C. beim Stimmsen-Center die globale Trendvorausschau. Ganz herzlichen Dank für das Gespräch.
00:29:26: Da haben wir ja vor der Sommerpause nochmal ein ziemlich großes Rad gedreht. Wenn wir zum
00:29:37: Schluss dieser Episode nochmal kurz zusammenfassen, was besonders hängen geblieben ist, dann waren
00:29:41: das bei mir drei Dinge, die ich gerne nennen würde. Nämlich erstens, wir machen es uns viel zu
00:29:47: einfach mit dem, wie wir auf aktuelle Entwicklungen und die Debatten gucken, indem wir zweitens schon
00:29:53: mit Instrumenten, Begriffen, Diskussionen der Vergangenheit eigentlich versuchen, eine unendlich
00:29:59: komplex gewordene Gegenwart zu erfassen und drittens, damit tue ich mich so ein bisschen
00:30:04: schwer, müsste ich noch einen Moment länger darüber nachdenken, aber however, dass Demokratie
00:30:09: eben doch liefern muss. Dass es um dieses Wohlstandsversprechen geht, dass dieses Wohlstandsversprechen
00:30:13: und ein Aufgehobensein, so ein Sicherheitsbegriff, dass es zwei Seiten einer Medaille sind, wenn
00:30:18: es um den Weg nach vorne geht, aus all diesen Schwierigkeiten raus. Katarina, wegen Stia.
00:30:23: Ich merke auf jeden Fall auch, das macht noch was in mir. Das wird noch in mir weiter arbeiten,
00:30:27: aber ich habe mir auch drei Punkte aufgeschrieben, die ich sehr interessant finde. Nämlich einmal
00:30:31: eben Populismus als ein Symptom zu sehen, ein Symptom für die Performance-Schwäche der
00:30:35: Demokratie und weniger so als im luftleeren Raum, das kam jetzt einfach so. Auch, dass
00:30:40: Donald Trump eben eher Konsequenz des Ganzen ist. Dann der Punkt, dass es an progressiven
00:30:44: Gegenerativen fehlt und dass man eigentlich eben mehr über Lösungen diskutieren sollte,
00:30:49: als immer wieder zu sagen, das Problem, was benannt wird, ist eigentlich keins. Das sind
00:30:53: so drei Punkte gewesen, die ich auf jeden Fall sehr spannend finde. Und damit endet diese
00:31:02: Ausgabe von Port und die Welt. Und gleichzeitig geht auch die dritte Staffel des Podcasts
00:31:06: zu Ende. Wir gehen in eine kurze Sommerpause und sind dann am 11. September wieder für Sie da.
00:31:10: Wenn Sie möchten, hören Sie doch sehr gerne noch mal in zurückliegende Folgen rein. Wer hatte
00:31:15: eigentlich moment recht? Wer lag vielleicht doch so ein bisschen ein Leben mit seiner
00:31:19: Einschätzung? Was hat man so gar nicht kommen sehen und so weiter und so fort?
00:31:22: Apropos kommen sehen, wenn Sie sich ein Thema, einen bestimmten Gast wünschen. Wenn Sie uns Feedback
00:31:28: zum Podcast geben möchten, dann schreiben Sie uns gern an ip@dgrp.org. Sie können den Podcast
00:31:34: auch gerne abonnieren in einem Podcatcher Ihrer Wahl, das hilft anderen Menschen, uns besser zu
00:31:39: finden. Für heute herzlichen Dank fürs Zuhören. Ich bin Katharina Peetz. Und ich bin Martin Bialecki.
00:31:44: Dankeschön auch von mir. Wir wünschen Ihnen allen einen wunderschönen Sommer.
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