Neuordnung in Nahost: Ein 12-Tage-Krieg und seine Folgen (mit Guido Steinberg)
Shownotes
Bunkerbrechende US-Bomben auf Irans Atomanlagen, ballistische Raketen auf Tel Aviv: Was in den vergangenen Tagen im Nahen Osten passiert ist, hat schon jetzt Geschichte geschrieben.
Wie stabil ist die Machtbasis des Mullah-Regimes in Teheran noch? Welche Interessen verfolgen Saudi-Arabien und andere regionale Staaten angesichts der neuen Lage? Wie stehen nach dem 12-Tage-Krieg die Chancen für einen Waffenstillstand in Gaza und einen Friedensprozess im israelisch-palästinensischen Konflikt? Und gibt es bei alldem eine Rolle für die Europäer?
Über die aktuellen Entwicklungen und möglichen Szenarien im Nahen Osten sprechen Martin Bialecki und Katharina Peetz in dieser Folge von „Pod und die Welt“ mit Guido Steinberg, Islamwissenschaftler bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).
Gast: Guido Steinberg, Islamwissenschaftler bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)
Links und Empfehlungen aus der Folge:
- Der kommende kalte Krieg mit dem Iran, Guido Steinberg, Internationale Politik, 28. Oktober 2024.
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Transkript anzeigen
00:00:00: Insgesamt ist es so, dass die Sorge in der Region vor einem Zusammenbruch und einem
00:00:05: Auseinanderbrechen Iranes größer ist, als der Wunsch, dieses doch weiterhin verhasste
00:00:11: Regime stürzen zu sehen.
00:00:14: Ein zwölftägiger Krieg und ein Waffenstillstand, bunkerbrechende Bomben auf Iranes Atomanlagen,
00:00:19: ballistische Raketen auf Tel Aviv, was sich in den vergangenen Tagen im Nahen Osten zugetragen
00:00:24: hat, hat schon jetzt Geschichte geschrieben.
00:00:26: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von "Pott und die Welt", ich bin Martin Wielecki
00:00:31: und ich bin Katharina Peetz, schön, dass Sie bei uns sind.
00:00:34: Von einem drohenden Flächenbrand war die Rede von einem Ausgreifen des Konflikts zwischen
00:00:39: Israel und Iran auf die ganze Region.
00:00:41: Dabei ist diese Region schon eine der kompliziertesten der ganzen Welt, das war sie auch schon vor
00:00:46: dem 7.
00:00:47: Oktober 2023, als die Hamas Israel überfallen hat, ein Ereignis, das letztlich in direktem
00:00:52: Zusammenhang mit den aktuellen Ereignissen steht.
00:00:55: Und wie genau diese Entwicklungen miteinander zusammenhängen, ob der Nahe Osten tatsächlich
00:00:59: eine Neuordnung erlebt, was das mit den Interessen der Großmächte zu tun hat und welche
00:01:04: Szenarien man sich vorstellen kann.
00:01:05: Darüber wollen wir heute sprechen mit dem Islamwissenschaftler und einer Ostexperten
00:01:09: Gido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik.
00:01:12: Hallo Herr Steinberg.
00:01:13: Hallo Frau Peetz.
00:01:14: Stell mir uns vor, ein Astronaut oder eine Astronautin sind heute am 1.
00:01:21: Juli auf die Erde zurückgekehrt, hatten das letzte Mal vor 2 Jahren Kontakt zur Erde.
00:01:26: Können Sie kurz zusammenfassen, was seither im Nahen Osten passiert ist?
00:01:30: Ja, es ist tatsächlich sehr, sehr viel passiert und die vielleicht wichtigste Entwicklung ist,
00:01:36: dass Israel heute die Militärmacht Nummer 1 in der Region ist, zumindest dann, wenn man
00:01:43: die Türkei so etwas am Rande stehen lässt.
00:01:45: Das sah vor 2 Jahren ganz anders aus, da haben die Menschen im Nahen Osten, aber vor allem
00:01:52: die Israelis und auch Einwohner in den Nachbarstaaten, vor allem Iran, als Bedrohung angesehen.
00:01:58: Und zwar Iran und seine sogenannte Achse des Widerstands, also dieses Bündnis dem
00:02:04: Angehörthaben, das Regime von Bashar al-Assad in Syrien, die Hisbollah im Libanon, die Hamas
00:02:10: und der islamische Jihad in den palestinensischen Gebieten, schiitische Milizen im Irak und
00:02:15: die Huzis im Jemen.
00:02:17: Dieses Bündnis ist heute zwar immer noch vorhanden, aber doch militärisch geschlagen und Israel
00:02:23: hat sich trotz aller Sorgen, die sich das Land gemacht hat, noch vor 2 Jahren militärisch
00:02:29: fast vollkommen durchgesetzt und hat zuletzt einen fast grandiosen Sieg über Iran errungen
00:02:36: und dabei Teile seines Atomprogramms zerstört.
00:02:39: Sie haben den Iran schon genannt, Herr Steinberg, fangen wir doch mal damit an, mit dem Iran
00:02:43: als einem der marketing Player des Nahen Ostens, zunächst außenpolitisch, wie würden Sie die
00:02:49: Lage Iranes beschreiben und wie hat sich diese Lage durch die zwölftage Krieg verändert?
00:02:54: Iran war ohnehin schon in einer etwas schwierigen Situation und diese schwierige Situation beginnt
00:03:03: mit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7.
00:03:06: Oktober 2023, in den also etwa acht Jahren zuvor, seit 2015.
00:03:13: Hat Iran seine Stellung in der Region weit ausgebaut und hat sich vor allem angeschickt, Israel
00:03:20: immer direkter zu bedrohen.
00:03:22: Mit Iran verbündete Milizen haben sich im Irak durchgesetzt im Kampf gegen den IS.
00:03:29: Sie haben den Bürgerkrieg in Syrien zugunsten des Assad-Regimes entschieden, zumindest
00:03:36: vorläufig wie wir heute wissen.
00:03:37: Die Hezbollah ist enorm erstarkt, die Husi-Rebellen haben den Norden des Jemen eingenommen und
00:03:43: von dort aus sogar Saudi-Arabien bedroht.
00:03:47: Das war die Situation Ende 2023 und dann hat sich einverbündeter Iran entschlossen, ohne
00:03:55: direkte Unterstützung aus der Islamischen Republik, also ohne direkte Unterstützung
00:04:00: für diese Militäraktion, Israel anzugreifen.
00:04:03: In einem beispiellosen Angriff Iran war nicht dabei, die Hezbollah hat sich nicht beteiligt,
00:04:10: die Husis haben sich nicht beteiligt, die schiitischen Milizen in Syrien und dem Irak
00:04:15: haben sich nicht beteiligt.
00:04:17: Trotzdem sind sie in den nächsten Monaten mehr oder weniger direkt in diesen Krieg mit
00:04:23: einbezogen worden, die Hezbollah dadurch, dass sie schon am 8.
00:04:27: Oktober begonnen hat den Norden Israels mit Raketen zu beschießen, die Husis haben später
00:04:32: begonnen, Israel zu beschießen und auch den Schiffsverkehr im Roten Meer.
00:04:37: Es hat zwei direkte militärische Auseinandersetzungen gegeben zwischen Iran und Israel im April
00:04:43: und im Oktober 2024.
00:04:47: All diese Aktionen haben dazu geführt, dass die Israelis eine Schwäche gewittert haben
00:04:53: auf iranischer Seite und diese Schwäche war doch ganz beträchtlich.
00:04:57: Die Hamas wurde fast vollständig, zumindest militärisch, zerschlagen.
00:05:02: Die Hezbollah ist im Herbst 2024 auch zusammengeschossen worden von den Israelis und in Folge dieser beiden
00:05:09: größeren Raketenangriffe Iran auf Israel wurde auch die iranische Luftabwehr stark
00:05:16: beschädigt und deswegen hat Israel dann schon im April 2025 die Chance gesehen, jetzt durch
00:05:24: einen großen Angriff auf das iranische Atomprogramm diesen Gegner strategisch zu schwächen, also
00:05:30: nicht mehr nur seine wichtigsten Verbündeten zusammenzuschießen, wie das im Libanon und
00:05:35: in den palästinensischen Gebieten geschehen ist, sondern Iran selbst stark zu schwächen
00:05:40: und genau das ist dann geschehen.
00:05:43: Iran ist heute in einer so schwachen Position wie in den letzten 20 Jahren nicht mehr.
00:05:49: Diese Angriffe Israels und dann auch die amerikanischen Bomben, die waren für Iran, für das Mullerregime
00:05:55: ja eine Überraschung und auch eine Demütigung.
00:05:57: Was erwarten Sie denn, wie man sich darauf jetzt verhalten wird?
00:06:01: Ja, das ist die ganz, ganz, ganz große Frage im Nahen Osten.
00:06:06: Es gibt ja zwei Möglichkeiten, zwei extreme Möglichkeiten, die die islamische Republik jetzt
00:06:12: hat.
00:06:13: Sie könnte zum einen auf ein Atomprogramm verzichten, zu einer großen Übereinkunft
00:06:20: mit den USA kommen, vielleicht sogar zu einem Ende der Sanktionen und wie auch immer
00:06:27: gearteten Übereinkünften auch mit weiteren Weltmächten und auch der Europäischen Union.
00:06:32: Die zweite Möglichkeit ist, dass Iran jetzt die Entscheidung trifft, nicht mehr nur ein
00:06:40: militärisches Nuklearprogramm zu betreiben, sondern zu versuchen, in möglichst kurzer
00:06:46: Zeit aus den noch verbliebenen Anlagen und Materialien eine primitive Atombombe zusammenzubauen,
00:06:55: um sich mithilfe eines Atomwaffentests dann vor weiteren Angriffen zu schützen.
00:07:01: So wie ich die islamische Republik kenne, so wie ich den obersten Führer Ali Khamenei
00:07:06: in den letzten Jahrzehnten kennengelernt habe, gehe ich eher davon aus, dass die islamische
00:07:11: Republik alles versuchen wird, jetzt in Richtung einer Bombe zu gehen.
00:07:15: Wir wissen noch nicht, wie diese Entscheidung fällt, ich lasse mich da auch gerne überraschen.
00:07:20: In jedem Fall gibt es viele Anzeichen dafür, dass die Ereignisse in diesen zwölf Tagen
00:07:25: im Juni 2025 erst der Anfang einer längeren Geschichte waren und nicht das Ende.
00:07:32: Für wie realistisch halten Sie denn einen Regimewechsel und war so ein Wechsel des Regimes
00:07:42: eigentlich ein Ziel auch von der israelischen Regierung bei den Angriffen auf Iran?
00:07:47: Es gibt so ein paar Hinweise darauf, dass Ministerpräsident Netan Yahu zumindest auf
00:07:52: eine substanzielle Schwächung des Regimes gesetzt hat, vielleicht sogar auf die Hoffnung,
00:07:57: dass Ali Khamenei und seine Gefolgsleute stürzen.
00:08:01: Die anzeichenbaren Beispielsweise die Tötung von vielen ganz wichtigen Kommandeuren der
00:08:06: Revolutionskarten in den ersten Stunden des Krieges, diese Tötungen waren militärisch
00:08:12: nicht unbedingt notwendig, besonders dann, wenn es nur um das Atomprogramm gegangen wäre.
00:08:18: Da hätte sich Israel auf andere Ziele konzentrieren können.
00:08:22: Dazu kommt ja die Breite der israelischen Angriffe, es wurden ja auch Anlagen der Energieinfrastruktur
00:08:28: getroffen, Öl- und Gasanlagen.
00:08:30: Auch diese Angriffe waren aus meiner Sicht nicht zwingend notwendig, wenn es nur um
00:08:35: das Atomprogramm gegangen wäre.
00:08:37: Ich glaube aber, dass die Hoffnung auf ein Sturz des Regimes tatsächlich nicht gerechtfertigt
00:08:42: ist.
00:08:43: Das Regime kann sich nur selbst stürzen, ganz einfach deshalb, weil seine Machtbasis
00:08:47: stark ist.
00:08:48: Es verfügt über über eine Million Mann unter Waffen und es gibt überhaupt keine Anzeichen
00:08:54: für Konflikte, für größere Meinungsverschiedenheiten innerhalb dieser Machtbasis.
00:08:59: Zwar kann es ganz gut sein, dass wir die übersehen, solange noch keine Hinweise darauf vorliegen,
00:09:05: müssen wir davon ausgehen, dass die islamische Republik stabil ist, weil diese Machtbasis
00:09:10: in den letzten Jahrzehnten immer wieder gezeigt hat, dass sie bereit und in der Lage ist,
00:09:16: viele Gegner zu töten, um den Erhalt dieses Regimes zu sichern.
00:09:21: Ich gehe also vorerst davon aus, dass wir es weiter mit der islamischen Republik zu
00:09:25: tun haben, so wie bisher auch.
00:09:27: Wenn Sie sagen, das Regime kann sich nur selbst stürzen, das heißt, wenn wir ins Land noch
00:09:31: mal schauen, in den Iran die innenpolitische Situation, es gab in den letzten Jahren ja
00:09:35: Proteste, die aber sehr rigoros niedergeschlagen worden sind, dann verstehe ich Sie so, dass
00:09:41: auch aus dieser Bevölkerung heraus kein Umstands erfolgen kann.
00:09:45: Nein, nein, weil die Bevölkerung nicht bewaffnet ist.
00:09:48: Mehr noch, die Opposition ist uneinig, ist nicht organisiert, nicht strukturiert.
00:09:55: Also für ein planmäßiges Vorgehen gegen die Regierung fehlt jegliche Grundlage.
00:10:00: Auch die kleinen bewaffneten Gruppen, die es vielleicht unter den Kurden im Nordwesten
00:10:05: des Landes, den Arabern im Südwesten und den Belutschen im Südosten gibt, gibt es
00:10:10: keine, die irgendwie in der Lage wäre, das Regime in Bedrängnis zu bringen.
00:10:15: Und deswegen glaube ich, dass die einzige Möglichkeit für größere innenpolitische
00:10:20: Probleme ist, dass beispielsweise wichtige Armeeinheiten sich erheben gegen das Regime
00:10:27: oder auch die Revolutionskarten.
00:10:29: Aber dafür gibt es keine Hinweise und der oberste Führer, Herr Menei, hat auch in den
00:10:35: vergangenen, ja jetzt schon über dreieinhalb Jahrzehnten dafür gesorgt, dass gerade diese
00:10:41: wichtigen Teile des militärisch-geheimdienstlichen Komplexes unter seiner Führung bzw. unter
00:10:47: Führung von ganz, ganz getreuen Gefolgsleuten sind und das Ausmaß der Kontrolle dort tatsächlich
00:10:53: sehr, sehr weit geht.
00:10:55: Stichwort Regime Change nochmal, wenn wir den Fokus mal ein bisschen aufziehen, haben
00:11:01: denn andere Länder in dieser sehr komplexen Region überhaupt eine Interesse an einem
00:11:06: Regime Change in Täran?
00:11:08: Nein, das hat man tatsächlich in den letzten zwei bis drei Wochen auch immer wieder bemerkt.
00:11:14: Ganz viele andere regionale Staaten möchten einen solchen Regimewechsel nicht, nicht etwa
00:11:20: weil das Regime in Täran irgendwo beliebt wäre, aber weil die Folgen befürchtet werden.
00:11:27: Wir dürfen ja nie vergessen, dass Iran ein vielvölkerstaat ist, der sicherlich homogener
00:11:31: als der Irak, zumindest im Kern, aber es gibt eine starke kurdische Minderheit im Nordwesten,
00:11:38: eine arabische Minderheit im Südwesten, die Belutschen.
00:11:41: Die Aseris, also die Perser und die Shiaeten, stellen zwar die überwiegende Mehrheit der
00:11:46: Bewohner.
00:11:47: Aber im Fall eines Regimewechsels müsste mit Konflikten im Land gerechnet werden und dann
00:11:54: vielleicht auch mit zentrifugalen Tendenzen und gerade Nachbarn wie Saudi-Arabien, die
00:11:59: Vereinigten arabischen Emirate, die befürchten eine solche Entwicklung.
00:12:05: Man muss allerdings auch sagen, dass andere Staaten vielleicht oder zumindest heile politische
00:12:10: Akteure in anderen Staaten vielleicht ganz froh wären, wenn Iran stark geschwächt würde.
00:12:16: Das gilt besonders für viele Akteure im Irak oder auch im Libanon und im Jemen, wo ganze
00:12:23: Staaten von den Proxies, also den Stellvertretern der Iranern praktisch in Geiselhaft gehalten
00:12:29: werden.
00:12:30: Darauf hoffen, dass vielleicht diese iranische Unterstützung für die Hezbollah, für die
00:12:34: schiitischen Milizen im Irak und für die Ansar-Alar-Rebellen, also die Husis, im Jemen
00:12:41: irgendwann einmal endet.
00:12:42: Aber insgesamt ist es so, dass die Sorge in der Region vor einem Zusammenbruch und einem
00:12:48: Auseinanderbrechen irans größer ist, als der Wunsch, dieses doch weiterhin verhasste
00:12:54: Regime stürzen zu sehen.
00:12:55: Dann schauen wir nochmal genauer auf Israel und wie Israel jetzt nach diesem zwölftigen
00:13:05: Krieg dasteht.
00:13:06: Sie haben es eben schon beschrieben, wie stark es dasteht.
00:13:10: Man könnte wohl sagen, es ist jetzt die stärkste Macht im Nahen Osten.
00:13:13: Was glauben Sie, was wird Israel mit dieser Macht tun?
00:13:17: Ja, die weitere Entwicklung wird ganz entscheidend davon abhängen, ob es jetzt die großen Politiker
00:13:23: gibt in Washington, aber auch in Tel Aviv und Jerusalem, die diese Niederlage Irans und
00:13:30: diesen Erfolg Israels und auch der USA dazu nutzen, Probleme zu lösen.
00:13:36: Ich bin mir nicht sicher, ob wir das erleben werden, aber zunächst einmal wäre es eine
00:13:42: ganz, ganz wichtige Aufgabe der Sieger in diesem Konflikt dafür zu sorgen, dass vielleicht
00:13:47: auf dem Verhandlungswege eine Lösung für das iranische Atomprogramm gefunden wird.
00:13:52: Das ist umso dringlicher, wenn meine Interpretation stimmt, dass das Regime der islamischen
00:13:58: Republik jetzt wahrscheinlich daran gehen wird, mit vielleicht noch größerer Dringlichkeit
00:14:04: als früher an einer Atombombe zu arbeiten.
00:14:08: Und wir dürfen dann nicht vergessen, dass es durchaus eine Zeit gab, in der sich die
00:14:13: islamische Republik da sehr zurückgehalten hat, nämlich nach dem Abkommen von 2015.
00:14:19: Da haben sich die Iraner nämlich tatsächlich an die Begrenzungen für ihre Irananreicherung
00:14:25: gehalten.
00:14:26: Und das ist doch ein Hinweis darauf, dass Verhandlungen zumindest ein Teil einer Strategie
00:14:33: auch im Umgang mit einem Regime, wie dem der islamischen Republik, sein können, um dieses
00:14:37: Problem zu lösen.
00:14:38: An zweiter Stelle kommt natürlich die Frage, was geschieht in Gaza.
00:14:41: Das ist ein Krieg, der aus meiner Sicht schon vor langer Zeit hätte enden müssen.
00:14:47: Die militärischen Ziele, die die Israelis haben, erreichen können, nämlich die weitgehende
00:14:52: Zerschlagung der Hamas, die sind schon lange erreicht und es gibt aus meiner Sicht keine
00:14:57: Rechtfertigung mehr für die vielen Toten in diesem Konflikt.
00:15:01: Also das wäre der zweite Schritt und damit verbunden vielleicht dann auch der große
00:15:05: Friedensschluss zwischen Saudi-Arabien und Israel, der ja ganz kurz vor dem 7.
00:15:10: Oktober 2023, fast vor der Verwirklichungsstand und aus meiner Sicht eine Tragik dieser Ereignisse
00:15:18: der letzten anderthalb Jahre, dass diese Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien
00:15:22: nicht fortgesetzt wurde, unter anderem auch deshalb, weil Saudi-Arabien sich mittlerweile
00:15:28: dann eben doch als Sachwalter der Palästinenser versteht und durchaus eine mäßigende Wirkung
00:15:34: auf die israelische Politik haben kann, ganz einfach deshalb, weil Saudi-Arabien irgendeine
00:15:40: Art von Zugeständnis an die palästinensische Seite haben will, zu der die Regierung nettern
00:15:46: Yahoo im Moment noch nicht bereit ist.
00:15:48: Vor mittlerweile fast fünf Jahren wurden ja die sogenannten Abram-Abkommen geschlossen,
00:15:53: die also zu einer Normalisierung zwischen Israel und mehreren arabischen Staaten beitragen
00:15:57: sollten.
00:15:58: Jetzt gibt es Gerüchte, dass diese Abrams-Abkommen erweitert werden könnten.
00:16:01: Wie schätzen sie das ein und was würde das für die Region bedeuten?
00:16:05: Zunächst einmal würde das bedeuten, dass Bewegung in den israelisch-palästinensischen
00:16:10: Konflikten kommt.
00:16:11: Der wichtigste Kandidat für ein neues Abkommen ist Saudi-Arabien.
00:16:15: Es hat bereits in den vergangenen Jahren Gespräche zwischen den USA und Saudi-Arabien über eine
00:16:21: mögliche Friedensflösung mit Israel gegeben.
00:16:25: Diese Gespräche wurden am 7.
00:16:27: Oktober 2023 erst einmal unterbrochen, aber alle drei Seiten haben immer wieder betont,
00:16:34: dass sie bereit sind, zu einer Lösung zu kommen.
00:16:36: Das gilt natürlich für Washington.
00:16:39: Präsident Trump will diesen Frieden unbedingt, schon aus persönlichen Gründen.
00:16:43: Ministerpräsident Nettern Yahoo und auch vorstellbare alternative Ministerpräsidenten
00:16:49: oder Ministerpräsidentinnen in Israel wollen diesen Frieden.
00:16:53: Und Saudi-Arabien hat immer wieder klar gemacht, dass es bereit ist diesen Frieden zu schließen.
00:16:58: Seit dem 7.
00:16:59: Oktober 2023 hat aber Saudi-Arabien den Preis für eine solche Übereinkunft erhöht.
00:17:04: Saudi-Arabien will nämlich jetzt ganz, ganz substanzielle Fortschritte im Friedensprozess
00:17:09: – ich trau mich kaum das auszusprechen – im Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern.
00:17:15: Damit hat die Palästinense.
00:17:17: Seite endlich einmal wieder einen Sachwalter. Und da das israelische Interesse an diesem Frieden so
00:17:23: groß ist, sehe ich da durchaus die Möglichkeit, dass als Teil solcher Verhandlungen auch eine
00:17:29: Lösung oder zumindest ein Management des Konflikts im Gasa-Streifen besser ablaufen kann,
00:17:35: als das bisher der Fall ist. Das ist aus meiner Sicht die ganz große Hoffnung, die die Region
00:17:42: hat, dass nun Trump nicht nur zu einer Lösung mit der islamischen Republik kommt, sondern auch dazu
00:17:50: beitragen kann, dass Saudi Arabien einen Frieden mit Israel schließt und dass im Verlauf dieser
00:17:55: Verhandlungen dann auch die Lage der Palästinenser sich zumindest etwas verbessert. Sie haben
00:18:04: Gasa gerade schon erwähnt, nur hat der Krieg gegen den Iran, der ganz bestimmt die Aufmaßigkeit auch
00:18:09: von Gasa weggelenkt. War das, glauben Sie, auch ein Kühl von Benjamin Netanyahu? Nein, ich glaube,
00:18:17: dass man Benjamin Netanyahu viel durchaus zutrauen kann, dass er wichtige Entscheidungen von Krieg
00:18:24: und Frieden auch aufgrund von innenpolitischen Erwägungen trifft. Das gilt mit ziemlicher
00:18:31: Sicherheit für die Ereignisse in Gasa in den letzten Monaten. Die Entscheidung aber,
00:18:35: das Atomprogramm anzugreifen, war aus meiner Sicht vollkommen unbeeinflusst von den Ereignissen
00:18:41: in Gasa. Ministerpräsident Netanyahu wurde in den letzten Monaten und Jahren schon sehr häufig
00:18:47: mit der Bemerkung angegangen, ob er denn wirklich in die Geschichte eingehen will, als derjenige
00:18:52: israelische Ministerpräsident unterdessen Ergide, als den Iranern gelungen ist, die entscheidenden
00:18:57: Schritte in Richtung Atomwaffe zu machen. Das war aus meiner Sicht der wichtigste Grund hier
00:19:03: zuzuschlagen. Ich glaube, dass jede vorstellbare israelische Regierung in einer ähnlichen
00:19:09: Situation ganz unabhängig von der Lage in Gasa oder im Westjordanland genauso gehandelt hätte,
00:19:15: wie Benjamin Netanyahu. Ich sehe da also diesen Link, der ja so häufig gemacht wird, den sehe ich
00:19:22: überhaupt nicht. Ich würde gerne nochmal zurückkommen auf das, was Sie vorhin gesagt haben,
00:19:26: nämlich, dass die Kriegsziele in Gasa eigentlich längst erreicht sind und dass der Krieg schon
00:19:30: längst zu Ende sein könnte, ist er aber ja nun nicht. Jetzt ist am Montag noch ein Gespräch
00:19:35: zwischen Trump und Netanyahu in Washington geplant. Wie nah dran ist man denn Ihre Einschätzung
00:19:39: nach einem Kriegsende? Oder was will man überhaupt noch? Ja, es wird in den letzten Tagen vermehrt
00:19:45: über ein solches Kriegsende gesprochen. Ich glaube allerdings, dass es dazu ganz klarer Worte von
00:19:52: Präsident Trump bedarf. Wir sehen ja in den letzten Monaten immer wieder, dass die israelische Regierung
00:19:58: vor einem Dilemma steht. Und zwar kann sie einerseits den Gaserstreifen mit israelischen Truppen
00:20:04: erneut besetzen, dort dann eben die Verantwortung für die Sicherheit übernehmen und auch
00:20:11: entsprechende Verluste einfahren. Das will die Regierung Netanyahu nicht, das will auch der
00:20:16: Ministerpräsident nicht. Auf der anderen Seite haben wir die Möglichkeit, eben die palästinensische
00:20:22: Autonomiebehörde an irgendeiner Art von neuer Verwaltung des Gaserstreifens zu beteiligen. Das
00:20:30: wollen die rechten Koalitionspartner von Benjamin Netanyahu nicht. Und das Ergebnis ist, dass
00:20:36: dieser Krieg immer weiter geführt wird, vollkommen ziellos, ohne irgendeiner Aussicht darauf,
00:20:41: dieermaßen noch entscheidender, zu schlagen. Ich sehe tatsächlich keine anderen Motive als
00:20:47: diese innenpolitischen Probleme, als diese Uneinigkeit innerhalb der Koalition. Und selbst wenn
00:20:55: Ministerpräsident Netanyahu im Moment vielleicht dazu neigen könnte, hier nach einer Lösung zu
00:21:01: suchen, wird er, meine ich, nicht über seine Abneigung gegenüber den Palästinensern hinauskommen.
00:21:08: Er will ganz einfach keinen Frieden mit den Palästinensern, er will einen Frieden ohne die
00:21:13: Palästinenser und nur auswärtige Akteure, und das können nur die USA sein, werden ihn dazu bewegen,
00:21:20: können hier zu einer politischen Lösung, welcher Art auch immer zu kommen. Das Dramatische ist,
00:21:26: dass es dafür Palästinenser mit einzubeziehen, also vor allem die palästinensische Autonomiebehörde,
00:21:31: Polizisten aus dem Westjordanland, fast schon ein bisschen zu spät ist. Aber ich lasse mich da
00:21:38: gerne überraschen. Ich denke, dass die Chancen für ein Ende des Krieges in Gaza seit dem 7. Oktober
00:21:42: 2023 noch nicht so gut waren wie jetzt. Und es liegt vor allem daran, dass Israel in einer
00:21:49: Position der Stärke ist. Auch ein israelischer Ministerpräsident natürlich einen großen
00:21:53: Handlungsspielraum hat. Dass wir zweitens auf der amerikanischen Seite einen Präsidenten sehen,
00:21:58: der auf Teufel kommen raus, seinen Friedensnobelpreis haben will, der keinen neuen Krieg im Nahen
00:22:03: Osten haben möchte und von dem ich mir jetzt erhoffe, dass er die israelische Seite in Richtung
00:22:09: einer Verhandlungslösung drängt. Das wird allerdings eine sehr, sehr kreative Lösung sein
00:22:14: müssen. Ganz einfach deshalb, weil die Hamas weiterhin im Gaserstreifen stark ist.
00:22:19: Von einer möglichen kurzfristigen oder mittelfristigen Lösung mal abgesehen unter
00:22:27: Beteiligung der USA. Herr Steinberg, Sie schauen auf diese Region schon sehr, sehr lange und sehr,
00:22:32: sehr tief hinein. Welche Rolle werden die USA denn langfristig spielen im Nahen Osten?
00:22:38: Ich denke, dass der Krieg selbst schon gezeigt hat, dass die USA auf dem Rückzug sind. Das mag
00:22:46: jetzt zunächst einmal überraschen, weil die Trump-Administration ja mit ihren Angriffen vor
00:22:52: allem auf Fordo und auf Natanz dafür gesorgt hat, dass die Israelis möglicherweise ihre Kriegsziele
00:22:58: erreicht haben, dass Teile des iranischen Atomprogramms zerstört sind. Wie weit, das wissen
00:23:04: wir im Moment noch nicht so ganz. Aber trotzdem war dieser Krieg einer, wie wir ihn in den letzten
00:23:11: 30, 40 Jahren nicht mehr erlebt haben. Wir kommen ja gerade aus einer Epoche der amerikanischen
00:23:16: Hegemonie im Nahen Osten. Die Amerikaner haben im Tankerkrieg, im Persischen Golf 1987, begonnen,
00:23:24: in dieser Region eine direkte militärische Rolle zu spielen. Sie haben den Kuwait Krieg geführt,
00:23:30: 1991, den Irak Krieg 2003 in Libyen waren sie gemeinsam mit einigen europäischen Mächten
00:23:38: unterwegs. Die USA waren tatsächlich der Hegemonen in der Region und seit einigen Jahren, ich würde
00:23:46: sagen so gut anderthalb Jahrzehnten, zeigt sich nun, dass die Bevölkerung in den USA aber auch
00:23:52: beide Parteien in dieser Kriege im Nahen Osten müde sind und sich langsam zurückziehen. Sie haben zwar
00:23:58: immer noch ihr Militär dort, aber die Präsidenten Obama, Trump 1, Biden, Trump 2 konzentrieren sich
00:24:07: alle in ihrer Weltpolitik auf den Pazifik, auf China. Da sehen sie die großen Herausforderungen des
00:24:13: 21. Jahrhunderts für die USA und wollen langsam einen Rückzug. Und dieser Krieg, den wir jetzt
00:24:19: erlebt haben, ist der erste seit ganz, ganz langer Zeit. Ich würde sagen seit 1973, seit dem
00:24:26: Yom Kippur oder Oktoberkrieg zwischen Israel einerseits und Syrien, Ägypten und anderen andererseits,
00:24:31: dass Regionalmächte direkt aufeinander prallen. Es zeigt so ein bisschen die Schwäche der Israelis,
00:24:38: dass sie für ein Ende des Krieges, für einen erfolgreichen Abgang immer noch die USA brauchen,
00:24:45: aber das Grundprinzip ist aus meiner Sicht, dass da Regionalmächte aufeinander treffen und die
00:24:51: USA werden sich weiter zurückziehen, sie werden sich vielleicht sogar militärisch aus einigen
00:24:56: ihrer Basen in der Region zurückziehen und wir werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten
00:25:01: wieder mehr Regionalmächte sehen, die versuchen, dieses amerikanische Vakuum zu füllen. Gibt es
00:25:07: denn irgendeine Rolle für die Europäer in der Region, vielleicht mit Blick auf die diplomatischen
00:25:12: Bemühungen rund um das Atomabkommen? Das hat sich leider in den letzten Tagen und Wochen gezeigt,
00:25:17: dass vor allem die USA die Europäer überhaupt nicht mehr ernst nehmen. Das ist ein Phänomen,
00:25:24: das wir jetzt schon seit einigen Jahren beobachten können. Die beiden Regierungen war zu höflich,
00:25:30: den Europäern zu sagen, dass sie dadurch eigentlich keine Rolle haben. Die Trump-Administration hat
00:25:36: das jetzt mit aller Deutlichkeit getan. Zuletzt in Folge der Gespräche der Großen Drei, also Großbritannien,
00:25:44: Frankreich und Deutschland, der jeweiligen Außenminister mit dem iranischen Außenminister
00:25:48: vor so etwa zehn Tagen, glaube ich, war das. Und die Europäer werden kämpfen müssen, also nicht
00:25:57: im militärischen Sinne, aber sie werden kämpfen müssen, wenn sie wieder eine Rolle in der Region
00:26:02: spielen wollen, wenn sie als sicherheitspolitischer und regionalpolitischer Akteur überhaupt ernst
00:26:07: genommen werden wollen. Ich denke, dass so etwas schnell passieren kann, wenn beispielsweise
00:26:13: für den Gaza-Streifen eine palästinensische Polizei wichtige Aufgaben übernimmt, um die
00:26:20: Hamas unter Kontrolle zu halten, dann wird eine solche palästinensische Polizei die Unterstützung
00:26:25: von Nachbarstaaten haben müssen, vielleicht auch die Unterstützung der Europäer. Es wurde
00:26:30: schon in den letzten anderthalb Jahren immer mal wieder diskutiert, ob denn nicht ein solcher
00:26:36: Akteur im Gaza-Streifen die Unterstützung beispielsweise von jordanischen oder emiratischen
00:26:42: Polizeikräften mit europäischer Unterstützung bekommen könnte. Da sehe ich also durchaus
00:26:47: eine Möglichkeit für die Europäer eine Rolle zu spielen in der ganz großen Politik der Region,
00:26:53: also bei den großen Friedensschlüssen, bei den Verhandlungen mit Iran, mit Saudi Arabien. Da
00:26:59: spielen die Europäer überhaupt keine Rolle mehr. Das ist schon ein Warnzeichen. Da hat sich etwas
00:27:05: gewandelt vor 15 Jahren, war das durchaus noch anders. Hier vielleicht nochmal sozusagen in die
00:27:09: andere Richtung gefragt. Sie haben in der internationalen Politik, in der IP im Oktober
00:27:13: letzten Jahres auch geschrieben, dass Deutschland eben als Akteur in der Region nicht wahrgenommen
00:27:18: wird und dass es "ein sehr schwach ausgeprägtes Bewusstsein für die Bedrohung Europas durch
00:27:23: die Instabilität im Nahen Osten gebe". Also haben wir auch immer noch nicht verstanden,
00:27:28: was da eigentlich passiert und warum es auch für Europa eine Rolle spielt? Teile der europäischen
00:27:32: Politik haben Salop gesagt, den Schuss nicht gehört. Allerdings gilt das ja vor allem für den
00:27:38: Ukraine-Russland-Konflikt. Es gilt allerdings in etwas abgemildertem Maße auch für das
00:27:44: etwas im Nahen Osten los ist. Das iranische Atomprogramm war auf lange Sicht durchaus eine
00:27:51: Bedrohung für Europa. Die Iraner haben schon in den letzten Jahren Marschflugkörper besessen,
00:27:56: die in der Lage sind, mindestens bis nach Griechenland, vielleicht auch bis nach Süditalien zu
00:28:00: fliegen. Und wenn Iran sich irgendwann nuklear bewaffnet, dann wird das Land auch einige Jahre
00:28:07: später in der Lage sein, diese Marschflugkörper mit entsprechenden Brennkörpern zu versehen.
00:28:12: Und dann könnten wir ganz, ganz schnell zum Opfer einer nuklearen Erpressung durch Iran
00:28:16: werden, so wie das Teile Ostasiens ja heute schon sind durch Nordkorea. Diese etwas direkte
00:28:23: Bedrohung wurde mir in Deutschland zu wenig diskutiert, wurde aus meiner Sicht auch nur von der Union
00:28:30: mal auf den Tisch gebracht und debattiert. Ich glaube, dass die deutsche Politik da aus ihrem
00:28:39: Provinzdenken herauskommen muss und ernster nehmen muss, was in der Region passiert. Wenn man es noch
00:28:44: etwas einfacher ausdrückt, damit es vielleicht dann auch überall im politischen Berlin ankommt,
00:28:49: muss man vielleicht auch sagen, dass auch die Flüchtlingsströme der letzten zehn Jahre,
00:28:54: die ja in der Innenpolitik so viele Probleme verursachen, ganz unabhängig davon, wo man
00:28:59: da steht, dass diese Flüchtlingsströme teilweise ausgelöst wurden durch diesen großen Konflikt
00:29:06: zwischen Iran und der Achse des Widerstands einerseits und den Gegnern andererseits. Es ist
00:29:11: kein Zufall, dass besonders viele Menschen aus Ländern gekommen sind, in denen die Iraner besonders
00:29:16: aktiv waren in den letzten zehn Jahren, also Syrien, Irak und Afghanistan. Und auch dieses
00:29:24: Problem verdanken wir zum Teil den Iranern und dass wir da so überhaupt keine Einflussmöglichkeiten
00:29:30: in der Region haben, obwohl das Problem innenpolitisch so massiv und groß ist, das ist doch ein Bahnzeichen.
00:29:38: Ich würde gerne mit der letzten Frage nochmal zurückkommen auf den Anfang der Folge und nämlich
00:29:47: auf die Frage nach dem Austonauten oder der Austonautin. Wenn derselbe Mensch aus dem Weltraum
00:29:53: in zwei Jahren noch mal zurückkehrte auf die Erde, also im Sommer 2027 und auf den Nahen Osten schaut,
00:30:00: welches Update könnte er denn dann wohl bekommen? Was ist bis dahin, was mag bis dahin passiert sein?
00:30:05: Im besten Fall wird Iran sich von der Idee verabschiedet haben, sich atomar zu bewaffnen.
00:30:12: Möglicherweise wird dann auch der oberste Führer Ali Khamenei nicht mehr über das Land herrschen und
00:30:19: vielleicht haben wir dann auch im Iran, das ist allerdings jetzt ein sehr positives Szenario,
00:30:23: eine etwas bessere Regierung als heute. In einem solchen positiven Szenario wäre aber auch der
00:30:30: palästinensische Konflikt etwas entschärft, dadurch, dass Saudi Arabien seinen Einfluss
00:30:35: geltend macht und als Teil eines solchen Friedensabkommens mit Israel deutliche Verbesserungen für
00:30:43: die Situation der Palästinenser durchsetzt. In einem etwas negativeren Szenario wird
00:30:49: die islamische Republik sich jetzt sehr, sehr schnell vielleicht schon innerhalb von einem Jahr
00:30:54: oder anderthalb Jahren nuklear bewaffnen. Das würde nur bedeuten, dass Iran eine sehr,
00:31:01: sehr primitive Atombombe besitzen würde, aber das würde die Politik der Region auf einen
00:31:06: Schlag verändern. In einem solchen negativen Szenario wäre vielleicht in zwei Jahren sogar noch der
00:31:13: Gaza-Streifen in einer ähnlichen Situation wie heute, wo ein praktisch nicht endenwollender
00:31:20: Konflikt auf einem niedrigen Level immer weitergeführt wird und das auch zu keinen weiteren
00:31:26: Friedensschlüssen kommt, sondern vielleicht sogar bestehende Friedensregelungen beispielsweise
00:31:32: zwischen Israel und Bahrain aufgekündigt werden. Und ich glaube, dass beides Szenarien dieses sehr
00:31:40: positive und dieses sehr negative Szenario durchaus eine gewisse Plausibilität besitzen.
00:31:46: Und ich wage es kaum, da irgendwelche Prognosen zu erstellen.
00:31:53: Sag Gido Steinberg, Naostexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, vielen Dank für ihre
00:31:59: Einschätzungen. Ja, vielen Dank nach Berlin. Zum Ende einer jeden Folge fassen wir nochmal
00:32:08: zusammen und tauschen uns über die Punkte aus, die besonders in Erinnerung geblieben sind. Ich fang
00:32:13: mal an, weil es bei mir irgendwie viel so eher deprimierendes ist, muss ich leider sagen. Also
00:32:19: ich fand ganz interessant, wie Gido Steinberg diese zwei möglichen Optionen skizziert hat,
00:32:24: wie sich Iran jetzt verhält und dass er eben es für wahrscheinlicher hält, dass der Iran jetzt
00:32:30: möglichst schnell versuchen wird, eine primitive Atombombe doch noch zu entwickeln. Auch den
00:32:36: Satz, das Regime im Iran kann sich nur selbst stürzen, der hängt mir noch sehr nach. Also
00:32:41: dass da eigentlich nicht wirklich eine Perspektive dafür ist, dass aus der Protestbewegung im Land
00:32:46: selbst oder auch anderen Akteuren eben einen Umsturz erfolgt. Und die sehr passive Rolle der
00:32:51: Europäer, die finde ich ist auch nochmal deutlich geworden und dass sie eben auch von den verschiedenen
00:32:55: Akteuren aber auch von den USA nicht ernst genommen werden. Martin, wie ist es bei dir?
00:33:01: Ich würde gerne nur auf das helle schauen, Katarina. Vielleicht ist man schon so deformiert in
00:33:07: diesen Zeiten von Kriegen und immerwärmen Krisen, dass man sich so darauf stürzt. Aber ich finde
00:33:13: schon, dass Gido Steinberg ein paar Anlässe zur Hoffnung skizziert hat, sei es Rolli Arabien mit
00:33:18: einem möglichen Friedensvertrag mit Israel, sei es endlich, endlich, endlich das Ende dieses
00:33:23: furchtbaren Krieges in Gaza, sei es eine doch stärkere Rolle der USA, die dazu führen könnte,
00:33:28: dass die Region sich insgesamt so ein bisschen befriedet. Das ist ja so ein großes Faszinus und
00:33:34: finde ich dieses Stasis, das so unheimlich viel still steht und gleichzeitig in diesem Rahmen
00:33:38: so ein bahniges Chaos herrscht. Also ich finde, es gibt ein paar Gründe, auf das helle zu schauen,
00:33:45: das würde ich heute gerne tun. Danke dafür, das tut gut. Damit geht die heutige Folge von
00:33:52: "Pod und die Welt" zu Ende. Wir freuen uns über Feedback in Form von Kommentaren bei YouTube,
00:33:57: lassen Sie gerne auch eine Bewertung da, wo auch immer Sie uns hören und empfehlen Sie uns weiter.
00:34:01: Fragen, Feedback oder auch Themenwünsche sind auch immer gern gesehen, am besten per E-Mail an
00:34:06: ip@dgarp.org. Die nächste Episode unseres Podcast kommt am 17. Juli. Ein weiterer Blick noch in
00:34:14: die IP-Zukunft der neue Nahe Osten-Fragezeichen kommt Ende August, die neue Ausgabe auch mit
00:34:20: einem Stück von Gido Steinberg. Das wollte ich hier gerne noch erwähnen. Danke, dass Sie uns
00:34:24: heute zugehört haben. Ich bin Martin Griggy und ich bin Katharina Beetz. Wenn Sie mögen, hören
00:34:29: uns beim nächsten Mal.
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