Welche UN braucht die Welt? (mit Michael Bröning)

Shownotes

„Wir haben eine Situation, in der ständige Mitglieder des Sicherheitsrats offen Krieg führen, und diese ständigen Mitglieder werden ein Dokument verabschieden, in dem ein Hohes Lied auf die Charta der Vereinten Nationen und auf das Völkerrecht angestimmt wird“: Das sagt Michael Bröning, Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in New York. Schon lange wird über eine Reform der UN diskutiert, die 1945 gegründet wurden, um den Frieden in der Welt zu sichern. Kommt (ausgerechnet) jetzt die Wende? Was ist vom UN-Zukunftsgipfel zu erwarten, der am 22. und 23. September im Rahmen der Vollversammlung stattfindet und von den sportbegeisterten US-Journalisten als „Superbowl der Diplomatie“ bezeichnet wird? Welche Rolle kann Deutschland spielen, das den Zukunftsgipfel zusammen mit Namibia vorbereitet hat und moderieren wird?

Über diese und weitere Fragen sprechen Martin Bialecki und Katharina Peetz mit Michael Bröning in der zweiten Folge von „Pod und die Welt“.

Gast: Michael Bröning, Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in New York (@fesnewyork)

Links und Empfehlungen aus der Folge:

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00:00:00: Wir haben eine Situation, in der ständige Mitglieder des Sicherheitsrats offen Krieg führen

00:00:05: und diese ständigen Mitglieder werden ein Dokument verabschieden,

00:00:08: in dem ein hohes Lied auf die Charta der Vereinten Nationen und auf das Völkerrecht angestimmt wird.

00:00:14: Hallo und herzlich willkommen zu Folge 2 von "Pod und die Welt".

00:00:18: In diesem Podcast der Zeitschrift "Internationale Politik"

00:00:21: denken wir alle zwei Wochen gemeinsam über aktuelle Themen in der Außenpolitik nach.

00:00:26: Wir, das sind Martin Bialecki, Chefredakteur der IP

00:00:29: und Katharina Peetz, freie Journalistin.

00:00:31: In jeder Episode laden wir einen Gast ein,

00:00:33: mit dem wir außenpolitische Themen analysieren und in einen größeren Kontext einletten.

00:00:38: Und dabei geht es immer auch um die Frage, was hat das alles mit unser aller Leben zu tun?

00:00:42: Genau, in unser heutiges Thema, das fühlt sich vielleicht für viele Menschen erst mal sehr weit weg

00:00:47: und ziemlich abstrakt an.

00:00:48: Wir sprechen nämlich über die Vereinten Nationen.

00:00:51: Dass sich das so ein bisschen abstrakt anfühlt, das liegt wohl auch daran,

00:00:54: dass die UN einfach ein riesiger Tanker sind mit gewachsenen Strukturen.

00:00:58: Manche würden vielleicht auch sagen mit dysfunktionalen Strukturen.

00:01:01: Über eine Reform der UN wird deshalb schon lange immer mal wieder diskutiert

00:01:04: und wir wollen heute genau darüber sprechen, wie die Zukunft der UN aussehen könnte

00:01:08: und ob jetzt eigentlich der richtige Zeitpunkt für Reformen ist.

00:01:11: Am 22. und 23. September findet nämlich der sogenannte Zukunftsgipfel in New York statt.

00:01:17: Dafür kommen Staats- und Regierungschefs der Welt am UN-Hauptsitz zusammen

00:01:20: unter dem Motto "Multilaterale Lösungen für ein besseres Morgen".

00:01:24: Soll auch ein sogenannte Zukunftspakt verabschiedet werden,

00:01:27: in dem dann dringende internationale Fragen aufgegriffen

00:01:30: und eben auch Reformen der UN vorangebracht werden sollen.

00:01:33: Im zweiten Teil dieser Folge schauen wir dann genauer auf die Rolle Deutschlands

00:01:37: innerhalb der Vereinten Nationen und wir tun das alles zusammen mit Michael Bröning,

00:01:41: dem Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in New York.

00:01:44: Hallo, lieber Bröning.

00:01:45: Halli, hallo.

00:01:46: Schön, dass Sie da sind.

00:01:51: Sie haben schon vor zwei Jahren in einem Text für die IP geschrieben,

00:01:54: dass die UN "auf absehbare Zeit von Dysfunktionalität und einer immer größeren Kluft

00:02:00: zwischen Rhetorik und Realpolitik geprägt sein werden".

00:02:03: Was würden Sie jetzt zwei Jahre später sagen, ist diese Dysfunktionalität noch größer geworden?

00:02:07: Absolut.

00:02:08: Wir sehen ja, dass die Vereinten Nationen sich jetzt gerade vorbereiten auf den Zukunftsgipfel.

00:02:13: Sie haben es ja gerade in der Anmoderation auch erklärt.

00:02:15: Hier sportet man so ein bisschen hinter vorgehaltener Hand darüber,

00:02:19: dass das entweder der richtige Prozess zur falschen Zeit ist

00:02:23: oder der falsche Prozess zur richtigen Zeit.

00:02:25: Auf jeden Fall passen da manche Dinge nicht zusammen,

00:02:28: denn wir erleben ja tatsächlich sozusagen im Stundentakt,

00:02:31: wie Regeln des Völkerrechts, wie Regeln der multilateralen Zusammenarbeit

00:02:36: aufgekündigt in Frage gestellt werden.

00:02:38: Und deswegen ist schon die Frage, ob das jetzt der beste Zeitpunkt ist,

00:02:41: diese Regeln ganz neu auszuhandeln.

00:02:42: Weil ja klar ist, dass momentan eben zu vielen Fragen einfach kein Konsens existiert.

00:02:47: Gibt es denn, Herr Bröning, so etwas wie eine jetzt erst recht Mentalität vielleicht in New York?

00:02:52: Sie haben gesagt, eigentlich seit der Zeitpunkt jetzt so suboptimal.

00:02:55: Also, dass es so ein Reformprozess gibt, ist doch erstmal gut, oder?

00:02:57: Sicher. Also, ich nehme das so, weil das hier eine gewisse Nervosität herrscht.

00:03:01: Also, die Straßen sind momentan noch frei.

00:03:04: Wir sind jetzt eine gute Woche entfernt von dem Reformkipfel.

00:03:08: Und ich meine, hier wird sozusagen in jedem Jahr ein großer Zirkus aufgeführt.

00:03:12: Und in diesem Jahr wird es eben besonders massiv sein,

00:03:14: weil eben nicht nur sagen die regelmäßige alljährlich im September stattfindende

00:03:20: High-Level-Week stattfindet, sondern eben auch dieser Reformgipfel,

00:03:23: der eben dargestellt wird, als also einmalige Chance innerhalb von einer Generation

00:03:27: hier große Dinge zu befüllen.

00:03:29: Auf den ersten Blick sieht es erstmal alles gut aus,

00:03:32: denn wir warten wirklich eine Fülle von Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

00:03:35: Also, es werden 150 Staats- und Regierungschefs erwartet, 190 Ministerinnen und Minister.

00:03:40: Also, das ist erstmal alles gut.

00:03:41: Amerikaner vergleichen das natürlich gerne mit amerikanischem Sport

00:03:45: und sprechen hier von einem Super Bowl der Diplomatie.

00:03:47: Nur die Frage ist halt sozusagen, was wird dabei herauskommen?

00:03:51: Und deswegen nehme ich auch eine gewisse Nervosität wahr.

00:03:54: Es ist ein bisschen so, wie wenn man eine Party vorbereitet,

00:03:56: das Buffet ist aufgebaut, die Musik liegt bereit, aber man weiß halt nicht,

00:04:00: die Gäste werden kommen, aber wird am Ende getanzt

00:04:02: oder sitzen am Ende alle deprimiert in der Küche und machen lange Gesichter.

00:04:07: Und wenn man realistisch ist, sind beides sozusagen mögliche Ergebnisse.

00:04:11: Wir werden das erleben.

00:04:11: Sie sitzen deprimiert in der Küche, woran krankt denn die UN derzeit am meisten?

00:04:16: Es gibt eine Menge Probleme, die die Vereinten Nationen haben.

00:04:19: Was sind die größten Probleme und warum sollte uns das Sorgen machen?

00:04:23: Also, ich glaube, man muss da genau hinschauen.

00:04:25: So erstmal ist völlig klar, dass wir in der Zeit leben,

00:04:28: die massive Erschütterung der Weltordnung erlebt.

00:04:31: Stichwort Ukraine-Krieg, Gaza-Krieg und dann aber auch sozusagen Konflikte,

00:04:36: die jetzt nicht in Deutschland im Tagesrhythmus die Headlines bestürmen.

00:04:39: Ich sage mal, Stichwort Sudan.

00:04:41: Also, es ist klar, dass hier Erschütterungen zu verzeichnen sind

00:04:44: und es ist eben auch klar, dass die Vereinten Nationen bisher nicht in der Lage gewesen sind,

00:04:48: hier maßgebliche diplomatische Durchbrüche zu erzielen.

00:04:51: Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat wieder Ruhe zu Feuerpausen, Waffenruhen und so weiter aufgerufen.

00:04:58: Ich glaube, Antonio Guterres war so im Wochentakt irgendwie davor, dass der Planet brennt.

00:05:02: Und trotzdem ist ja klar, dass es sozusagen in die Wirklichkeit nicht stringent übersetzt wird.

00:05:07: Das ist jetzt erstmal auch nicht fundamental neu,

00:05:09: aber das ist eben eine Seite der Wirklichkeit, die erstmal postuliert werden muss.

00:05:13: Die andere Seite ist eben aber auch, dass es nicht alles in einem absoluten Zusammenbruch befindlich ist.

00:05:20: Also, ich vergleiche das auch gerne mit der Unterstützung an dem Völkerbund.

00:05:23: Also, schauen wir mal zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zurück.

00:05:27: Palais des Nations in Genf am 2. September 1939 wurden da die Türen zugesperrt

00:05:32: und die Leute sind nach Hause gegangen und das war es.

00:05:35: Und davon kann hier natürlich überhaupt nicht die Rede sein.

00:05:37: Also, ich bin ungefähr 400 Meter jetzt vom UN-Hauptquartier entfernt

00:05:41: und das ist ein bisschen also Vollgas im ersten Gang.

00:05:43: Also, der Rhythmus der Veranstaltung ist massiv.

00:05:46: Die Leute, die hier tätig sind, sind mit großem Metriismengagement dabei

00:05:50: und da gibt es jetzt auch keine Erschütterung, dass die jetzt alle irgendwie

00:05:53: das Heft zu, klappen und nach Hause gehen, sondern die Betriebsamkeit ist schon sehr eindrucksvoll.

00:05:58: Nur die Frage ist halt, was ist die Wirkung?

00:06:01: Da spricht ja schon eine gewisse Begeisterung auch raus.

00:06:03: Also, ein großes Commitment für die Vereinten Nationen, wenn man ihnen zuhört.

00:06:06: Wie lange sind Sie in New York stationiert

00:06:09: und was ist in dieser Zeit dann eigentlich besser geworden bei den Vereinten Nationen?

00:06:12: Also, ich bin seit 2020 hier und es war eine schwierige Zeit herzukommen,

00:06:17: weil wir natürlich unter Pandemiebedingungen hier arbeiten mussten

00:06:20: und auch zivilgesellschaftliche Organisationen wie eben die Viertelige Eberstiftung

00:06:24: über lange Zeit gar keinen Zugang zu den Gebäuden der Vereinten Nationen hatten.

00:06:28: Wir mussten unsere Arbeit hier natürlich massiv umstricken.

00:06:31: Gut nun ist die Eberstiftung wie andere deutsche politische Akteure der Zivilgesellschaft

00:06:35: hier wirklich ein kleiner Fisch in einem sehr großen Teil.

00:06:38: Man muss seine Ambitionen hier zurückstecken und schauen, wo man tatsächlich einen Beitrag leisten kann.

00:06:43: Was besser geworden ist, denke ich, das Glück im Unglück,

00:06:46: das im Zuge der Krisen eben zumal in Deutschland das Bewusstsein eher gewachsen zu sein,

00:06:53: denke ich, dass wir multilaterale Lösungen brauchen.

00:06:56: Ich muss trotzdem noch mal zu den Problemen zurückkommen.

00:06:59: Da sind ja einige, diese Selbstverserlung des Sicherheitsrats in der aktuellen Weltpolitischen Lage.

00:07:03: Massive Finanzprobleme, der Vorwurf, dass die Vereinten Nationen die Machtverhältnisse in der Welt gar nicht mehr angemessen repräsentierten

00:07:10: Reformen und Fähigkeit, Bürokratie etc.

00:07:12: Und dann, Sie haben das Stichwort von Serbe gesagt, auch noch der Gaza-Konflikt.

00:07:16: Wie sehr liegt denn dieser Gaza-Konflikt zurzeit jetzt über allem drüber

00:07:20: und wie sehr erschwert dieser Gaza-Konflikt auch die aktuellen Reformbemühungen?

00:07:25: Also der Gaza-Krieg ist hier natürlich total präsent.

00:07:28: Er ist eben einer von zwei Konflikten, an denen gerade Vertreter des Globalen Südens in New York meinen,

00:07:35: abzulesen, dass eben auch in Berlin, auch in Deutschland, deutlich mit zwei allein mass gemessen wird.

00:07:41: Und das ist schon eine diplomatische Bürde, die da zu tragen ist.

00:07:44: Und wenn man jetzt den Blick ein bisschen weitet und sich die Arbeit im Sekretariat anschaut,

00:07:49: aber auch im Sicherheitsrat, dann ist die Stimmung da natürlich total vergiftet.

00:07:52: Wir haben eine Situation, wo einerseits große Reformpläne geschmiedet werden

00:07:56: und wo andererseits sich ständige Sicherheitsratsmitglieder mehr oder weniger unverhohlen

00:08:01: mit atomarer Vernichtung drohen.

00:08:02: Also dass man da jetzt sozusagen nicht am großen Rat die Silver Bullet

00:08:05: sozusagen entwickelt und alles auf Kurs bringt, ist irgendwie klar.

00:08:09: Ich habe mir mal die Zahlen angeschaut.

00:08:11: Also bisher 2024 sind 52 Prozent der Resolutionen im UN-Sicherheitsrat einstimmig verabschiedet worden.

00:08:19: Und das ist eine Zahl, die so niedrig ist wie noch nie.

00:08:22: Schon im vergangenen Jahr waren es 70 Prozent und 2022 67 Prozent.

00:08:28: Und wir haben natürlich auch einen ganz regelmäßigen Einsatz des Vetos.

00:08:31: Und das zeigt halt einfach, dass das Vertrauen sehr stark erodiert ist

00:08:35: und dass da geopolitische Zerwürfnisse in die Geschäftlichkeit der normalen Abläufe sehr reingegiert.

00:08:43: Ich fand eben das Bild sehr schön von den Vorbereitungen für die Partei,

00:08:51: Und alle sind sehr aufgeregt.

00:08:52: Deutschland hat diesen Zukunftsgipfel,

00:08:55: der Mitte Ende September in New York stattfindet,

00:08:57: mit vorbereitet, zusammen mit Namibia.

00:09:00: Man hat trotzdem den Eindruck,

00:09:02: dass der Zukunftsgipfel in der deutschen Öffentlichkeit,

00:09:05: Sie haben beschrieben, dass es vor Ort in Interesse gibt,

00:09:08: aber hier in der deutschen Öffentlichkeit,

00:09:10: ist das bisher kaum Thema gewesen.

00:09:12: Man könnte sagen, die Party wird zwar vorbereitet,

00:09:14: aber irgendwie kriegt das hier niemand mit oder keine Einladungen.

00:09:18: Aber die Menschen in Deutschland sind doch zu weit weg.

00:09:21: Ich würde sagen, das ist in New York auch gar nicht so furchtbar anders.

00:09:25: Der UN-Reformgipfel ist weltberühmt in New York

00:09:27: zwischen der 41. und der 48. Straße.

00:09:30: Darüber hinaus schaut man hier mit großer Spannung auf die US-Wahlen.

00:09:35: Die Vorstellung, dass hier in der amerikanischen Öffentlichkeit

00:09:38: mitgefiebert wird, was hier Großes zu erwarten ist,

00:09:41: bietet leider ein bisschen an der Wirklichkeit ebenfalls vorbei.

00:09:45: Ich habe gestern gesehen, dass tatsächlich in New Yorker Bushaltestellen

00:09:48: Poster aufgehängt worden sind.

00:09:50: Eine treue Seele hat sich die Mühe gemacht, Poster anzubringen,

00:09:53: darauf hinzuweisen, dass hier die Reformgipfel stattfindet.

00:09:56: Ich fand das gut, aber das Interesse ist immer nur punktuell.

00:09:59: Ich gehe davon aus, dass sich das ändern wird.

00:10:02: Wenn hier die hochkaritigen Gäste einfliegen,

00:10:05: dann wird die Party losgehen, das ist jedes Jahr so.

00:10:07: Dann kann man das irgendwann nicht mehr ignorieren.

00:10:10: Auf die Rolle Deutschlands bei diesem Gipfel,

00:10:13: die Vorbereitung noch mal genauer zu sprechen kommen,

00:10:15: wie haben Sie die deutsche Bundesregierung da wahrgenommen?

00:10:19: Deutschland und Namibia haben da tatsächlich gute Dienste geleistet

00:10:24: und mit großem Engagement und Pflichtbewusstsein

00:10:27: versucht, ein sehr dickes Brett zu bohren.

00:10:30: Die Vorbereitung dieses Paktes ist nicht im Hauruck-Verfahren erfolgt.

00:10:34: Dieser Reformgipfel hier ist das Resultat eines 3-4-Jährigen-Prozesses.

00:10:38: Deutschland hat die Fiederführung mit Namibia gemeinsam übernommen

00:10:43: und in einem sehr aufwendigen Prozess sichergestellt,

00:10:47: dass beispielsweise jetzt die gesellschaftliche Stimmen einfließen konnten.

00:10:50: In meiner Wahrnehmung wird das wahrgenommen

00:10:53: und wird auch als Verdienst wahrgenommen,

00:10:56: auf dem man auch ein Stück weit stolz sein kann.

00:10:58: Das heißt, was verspricht man sich vielleicht auch?

00:11:00: Mehr Sichtbarkeit?

00:11:01: Auch vielleicht mit Blick auf eine Repräsentanz im Sicherheitsrat?

00:11:05: Deutschland ist hier natürlich sichtbar.

00:11:07: Deutschland ist sozusagen je nach Zählung

00:11:10: der zweitgrößte oder der viertgrößte Zahl,

00:11:12: je nachdem, ob man das gesamte UN-System oder jetzt das UN-Budget

00:11:16: in den Blick nimmt.

00:11:17: Natürlich spielt die Bundeswehr hier eine politische Rolle.

00:11:21: Wir sind nicht im Sicherheitsrat vertreten,

00:11:23: also nicht dauerhaft als Veto-Spieler,

00:11:26: aber kandidieren ja auch immer wieder mal

00:11:28: nehmen deswegen hier eine wichtige Rolle ein.

00:11:30: Das wird wahrgenommen und auch geschätzt.

00:11:32: Die Diskussion nach einem ständigen Sicherheitsratssitz

00:11:35: für Deutschland ist natürlich dann noch mal eine ganz andere.

00:11:37: Also seit 2005 spielte es ja da sozusagen die auch formale Forderung

00:11:42: der Bundesrepublik, dass der finanziellen und der politischen Rolle,

00:11:46: die Deutschland spielt, eben auch Rechnung getragen wird,

00:11:49: in dem Deutschland ein ständigen Sicherheitsratssitz erhält.

00:11:52: Da gibt es einen Plan,

00:11:54: Zusammenarbeit mit Indien, Brasilien und Japan,

00:11:56: die Forderung, dann sechs neue Sitze einzuführen.

00:11:59: Aber ich meine, wenn man hier mit UN-Watchern spricht,

00:12:03: die sich nur wirklich über Jahrzehnte mit Sicherheitsratsreformen beschäftigen,

00:12:07: dann sagen die einem gerne: "Hey, I want my life back!"

00:12:09: Ja, ich will die Lebenszeit, die ich auf diese Debatten gerne verwendet habe,

00:12:13: gerne zurückbekommen, weil so absehbar ist,

00:12:15: dass da unwahrscheinlich ist, dass sich irgendetwas tut.

00:12:18: Auch jetzt im "Pact for the Future" wird natürlich sozusagen

00:12:21: eine Reform des Sicherheitsrats in Aussicht gestellt,

00:12:24: aber es ist halt nicht sehr realistisch,

00:12:25: weil natürlich die aktuellen Sicherheitsratsmitglieder

00:12:29: dem zustimmen müssen und davon es eben nicht auszugehen.

00:12:31: Und vielleicht noch einen Satz zur allgemeinen politischen Einordnung.

00:12:35: Meine persönliche Auffassung ist da eben auch,

00:12:37: dass man sich schon sehr genau überlegen muss,

00:12:40: was man als Bundeswehr in Deutschland da eben jetzt auch fordert.

00:12:42: Ich meine, wir sagen in der UN-Reform Diskussion gerne,

00:12:45: Leute, die Institutionen spiegeln nicht die Wirklichkeit wieder,

00:12:49: sie spiegeln die Welt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder.

00:12:53: Wenn man ehrlich ist, wenn Deutschland jetzt Sicherheitsratsmitglied würde,

00:12:56: dann würde das nicht die Situation am Ende des Zweiten Weltkriegs

00:12:59: wieder spiegeln, sondern die Situation vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

00:13:03: Ich meine, da muss man realistisch sein und auch verstehen,

00:13:05: dass manche Forderungen mittlerweile wirklich sehr aus der Zeit gefallen sind.

00:13:08: Da geht es dann vielleicht auch eher darum,

00:13:09: ein besseres Gleichgewicht zwischen dem Globalen Norden,

00:13:12: Globalen Süden zu haben, wenn wir nochmal auf diesen Zukunftspakt genauer gucken.

00:13:16: Es gibt so ein paar große Themen, die da angesprochen werden,

00:13:19: aber es ist auch auffallend, welche Themen nicht so explizit genannt werden.

00:13:23: Sie haben eben mal kurz das Stichwort Klimawandel genannt.

00:13:25: Was ist denn so ihre Erwartung?

00:13:27: Ein großer Durchbruch wird vermutlich nicht erwartet,

00:13:29: aber vielleicht im Bereich von Nebenabkommen.

00:13:31: Das Dokument wird ja noch verhandelt.

00:13:33: Wir kennen alle die Schlussversion auch nicht.

00:13:36: Es ist jetzt die dritte Version des Dokuments.

00:13:39: Während wir jetzt sprechen, sind die diplomatischen Vertretungen,

00:13:42: die ständigen Vertretungen dabei,

00:13:44: sich tatsächlich über die einzelnen Sätze dieses Dokumentes zu beugen.

00:13:47: Denn es muss ja im Konsens dann angenommen werden.

00:13:50: Was man erwarten kann, ist ein Dokument der Ambivalenz.

00:13:53: Natürlich ist das jetzt auch nicht für jeden leicht verdaulich.

00:13:55: Wir haben eine Situation, in der ständige Mitgliederte Sicherheitsrats

00:14:01: offen Krieg führen.

00:14:02: Und diese ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats

00:14:04: werden ein Dokument verabschieden,

00:14:06: in dem ein hohes Lied auf die Karte der Vereinten Nationen

00:14:10: und auf das Völkerrecht angestimmt wird.

00:14:12: Also, das muss man sich auch auf dazu gezirrgehen lassen.

00:14:15: Natürlich sind da Spannungen drin.

00:14:17: Und natürlich sind da Ungereimtheiten drin,

00:14:20: die auch schon verdaulich sind.

00:14:22: Aber das ist halt die Welt in der Welt.

00:14:24: Muss man die Vereinten Nationen sehr lieben, um noch an sie zu glauben?

00:14:27: Ist das ein Platz für reine Idealisten geworden?

00:14:30: Muss man die Vereinten Nationen lieben?

00:14:32: Ich denke, wir sollten nicht vergessen,

00:14:33: dass sie, obwohl es natürlich nicht die magische Lösung

00:14:37: für alle unsere Menschheitsprobleme sind,

00:14:39: dass wir gut damit beraten sind, sie aktiv zu halten

00:14:43: und am Laufen zu halten.

00:14:44: Und ich glaube, dass das ja auch das ist, was wir erleben können.

00:14:47: Ich meine, dieser Gipfel in diesen Tagen ist ja letztlich ein Zeichen,

00:14:51: hallo, wir Vereinten Nationen sind übrigens auch noch da.

00:14:54: Wir werden ein einzigartiges Treffen von der Weltpolitik haben.

00:14:58: Und wo würde man diese Diskussionen sonst führen,

00:15:02: wenn nicht in New York?

00:15:03: Schauen wir auf die operative Ebene.

00:15:05: Ich meine, wir haben aktuell elf Peacekeeping Operations,

00:15:08: die nach wie vor laufen, von Süpern bis nach Südzudan

00:15:12: und in den Sudan.

00:15:13: Also, es ist ja nicht so, als ob nichts passiert.

00:15:14: Und wenn man genau hinschaut,

00:15:16: ist es natürlich tatsächlich so, dass die UN dann sozusagen

00:15:19: die letzten sind, die dann noch restzuständig sind

00:15:22: und eben an die Orte gehen, an die sonst keiner mehr geht.

00:15:26: Und ich glaube, die Welt wäre sicherlich keine besseren,

00:15:29: wenn wir diese Institutionen nicht mehr hätten.

00:15:31: Und das sage ich nicht als sozusagen blauäugiger Enthusiast,

00:15:35: der hier die Schwächen nicht erkennt, die erkenne ich sehr wohl.

00:15:38: Die erkenne eben auch viele Leute, die in diesem System tätig sind.

00:15:41: Aber ich glaube, man muss da einfach genau hinschauen.

00:15:43: Und es ist weder die Zeit jetzt, ein schwahrenden Gesang anzustimmen,

00:15:46: noch in, sozusagen Triumphgeheul auszubrechen,

00:15:49: sondern in der Mitte braucht man einen pragmatischen klaren Blick

00:15:52: auf das, was geleistet werden kann und das, was eben nicht geleistet werden kann.

00:15:56: Ein sehr nourrissiertes und sehr balanciertes Schlusswort.

00:15:59: Lieber Herr Bröning, bevor wir mal ganz kurz zurückgucken,

00:16:01: sagen wir an der Stelle schon mal ganz, ganz herzlichen Dank an Sie.

00:16:04: Vielen Dank für das Gespräch.

00:16:06: Vielen Dank für die Gelegenheit.

00:16:07: Wir wollen zum Schluss einer jeden Folge immer so ein bisschen zusammenfassen,

00:16:14: was uns am meisten im Kopf geblieben ist.

00:16:16: Und dann nehme ich aus diesem Gespräch mit, dass ich sehr beeindruckend

00:16:19: von dem hohen, hohen Aufwand der Betrieben wird,

00:16:21: sowohl für die Veranstaltung selber,

00:16:23: als auch für diese ganzen Prozesse innerhalb der Vereinten Nationen.

00:16:26: Und dass man trotzdem so wahnsinnig wenig davon sieht, davon mitbekommt.

00:16:30: Ich frage mich dann, ob das ein Problem der Kommunikation ist, der Darstellung,

00:16:33: weil das die Lage der Welt unbedingt eine funktionierende,

00:16:37: internationale, kräftige Organisation braucht.

00:16:39: Das ist, glaube ich, ganz unbestritten.

00:16:40: Ich fürchte aber, das wäre mein letzter Satz,

00:16:42: dass die Großmächte eben immer weniger interessiert sind

00:16:45: an einer wirklich funktionierenden Vereinten Nation.

00:16:48: Katharina, was sind denn deine wichtigsten Gedanken zu dieser Folge?

00:16:52: Also, mir bleibt auf jeden Fall das Bild von den Partyvorbereitungen hängen.

00:16:55: Das fand ich super und sehr anschaulich.

00:16:57: Wie bei der Party ist es dann eben so ganz weiß man nicht,

00:17:00: woranz am Ende hängt, ob es gut wird oder nicht.

00:17:02: Ich finde vor allem das Schlagwort Ambivalenz,

00:17:04: dass man das erwarten muss und dass das irgendwie dazugehört,

00:17:07: dass das am Ende das Ergebnis sein wird.

00:17:10: Und dass die UN natürlich nicht perfekt sind

00:17:13: und dass man trotzdem ohne vermutlich schlechter dran wäre.

00:17:16: Das war sie, die zweite Folge von "Pod und die Welt".

00:17:22: Wir haben gesprochen über die UN, die Zukunft der UN,

00:17:25: mögliche Reformen, und zwar mit Michael Bröning,

00:17:28: dem Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in New York.

00:17:30: In zwei Wochen gibt's eine neue Folge

00:17:32: und wir freuen uns sehr, wenn Sie auch die hören.

00:17:34: Ich bin Katharina Peetz.

00:17:36: Und ich Martin Bialecki. Tschüss und bis zum nächsten Mal.

00:17:39:

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