Welche Zukunft hat die Staatsräson? Zum Stand der deutsch-israelischen Beziehungen (mit Richard C. Schneider)

Shownotes

Vor 60 Jahren, am 12. Mai 1965, nahmen Israel und die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen auf. Schon aus historischen Gründen ist das Verhältnis der beiden Staaten ein besonderes. Das bleibt es bis heute – und es ist kompliziert.

Welche Folgen hat der Krieg in Gaza für die Beziehungen beider Länder und das Standing Deutschlands in der Welt? Was bedeutet es heute konkret, dass Israels Sicherheit deutsche Staatsräson ist? Woran krankt die Debatte hierzulande, wie könnte sie in Zukunft informierter und weniger emotional geführt werden?

Über diese und weitere Fragen sprechen Martin Bialecki und Katharina Peetz in dieser Folge von „Pod und die Welt“ mit Richard C. Schneider, ehemaliger Leiter des ARD-Studios in Tel Aviv.

Gast: Richard C. Schneider, langjähriger Leiter des ARD-Studios in Tel Aviv (2006–2016) (@richardcschneider.bsky.social)

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00:00:00: Ist man solidarisch mit dem Staat Israel oder ist man solidarisch mit der jeweiligen israelischen Regierung?

00:00:05: Und das ist eine Frage, die wird natürlich so lange diese Regierung in Israel an der Macht ist,

00:00:11: natürlich auch immer virulenter.

00:00:13: Wir sind zurück aus einer kurzen Pause. Nun startet Pod und die Welt in die dritte Staffel.

00:00:18: Herzlich willkommen zu dieser Folge. Ich bin Martin Bialecki.

00:00:21: Und ich bin Katharina Peetz. Schön, dass Sie dabei sind.

00:00:26: Das Jahr 2025 ist ein Jahr voller wichtiger Jahrestage und Jubiläen.

00:00:30: Das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren gehört dazu oder Deutschlands Beitritt zu NATO.

00:00:35: Zu den ganz besonderen Jahrestagen gehört auch der 12. Mai.

00:00:38: Denn an diesem Tag vor 60 Jahren haben die Bundesrepublik Deutschland und Israel offiziell diplomatische Beziehungen aufgenommen.

00:00:45: Nach der Shoa, der Ermordung von 6 Millionen Jüdinnen und Juden und all den brutalen Verbrechen,

00:00:50: die Nazi-Deutschland dem jüdischen Volk angetan hat, schien ein solcher Schritt nach dem Zweiten Weltkrieg jahrelang völlig undenkbar.

00:00:57: Schon aus historischen Gründen ist das Verhältnis der beiden Staaten also ein ganz besonderes.

00:01:01: Und das bleibt es bis heute und es ist kompliziert.

00:01:05: Da geht es um den Nahostkonflikt, es geht um die Verantwortung für Israels Sicherheit,

00:01:09: es geht um Israels Rolle in der Region, es geht um ein Begriff wie Staatsräson und um vieles mehr.

00:01:14: Über all das und über das deutsch-israelische Verhältnis generell können wir heute sprechen mit Richard C. Schneider.

00:01:19: Er ist Journalist, Autor und war langjährige Korrespondent der ARD in Tel Aviv.

00:01:23: Hallo Herr Schneider, schön, dass Sie bei uns sind.

00:01:25: Guten Morgen.

00:01:26: Wenn man sich in das Jahr 1965 zurückversetzt, das Ende des Zweiten Weltkriegs lag da gerade mal 20 Jahre zurück.

00:01:37: Israel als Staat existierte seit 17 Jahren.

00:01:39: Adolf Eichmann wenige Jahre zuvor war von Israel hingerichtet worden

00:01:43: und in Deutschland liefen immer noch viele andere Nazi-Verbrecher ungestraft herum.

00:01:47: Wie bemerkenswert war die Aufnahme der offiziellen diplomatischen Beziehungen

00:01:52: zwischen der Bundesrepublik und Israel damals?

00:01:54: Das war sehr bemerkenswert, aber das war eine Entwicklung, die er schon sehr viel früher angesetzt hat.

00:01:59: Schon in den 50er Jahren gab es Kontakte zwischen Shimon Peres auf der israelischen Seite

00:02:04: und Franz Josef Strauss auf der deutschen Seite.

00:02:07: Es gab geheime Waffenlieferungen.

00:02:10: Es kam 1952 zum Luxemburger Abkommen, wo es um Wiedergutmachungsgelder geht.

00:02:15: Die waren insofern extrem wichtig, weil sie oftmals nicht in Zahlungen,

00:02:19: sondern auch in Gütern den Israelis gegeben wurden.

00:02:22: Israel war damals in einer extrem großen Wirtschaftskrise als gerade gegründeter Staat

00:02:27: und diese Hilfen aus Deutschland halfen dem Land, um irgendwie auf die Beine zu kommen.

00:02:32: Und es gab dann auch die Treffen zwischen David Ben-Gurion und Konrad Adenauer,

00:02:35: das berühmte Treffen im Waldorf Astoria in New York.

00:02:39: Aber das bemerkenswerte ist doch auch, dass es nicht Konrad Adenauer war,

00:02:43: der diese Beziehungen dann ganz offiziell und diplomatisch anerkannt in die Wege geleitet hat,

00:02:48: sondern das war dann sein Nachfolger Ludwig Erhard.

00:02:51: Adenauer hat lange gezögert, das hatte auch viel zu tun mit einer Doktrin in Deutschland,

00:02:57: dass man die arabischen Staaten nicht verärgern darf, wenn man immer Angst hatte,

00:03:01: wenn man mit Israel diplomatische Beziehungen aufnimmt,

00:03:04: dann würde auch von der arabischen Seite die DDR noch weiter anerkannt werden.

00:03:09: Also, da gab es viele innerdeutschen Überlegungen

00:03:11: und dann aber war doch endlich der Moment gekommen und gesagt so jetzt,

00:03:14: weil es für beide Seiten von großem Vorteil war.

00:03:17: Wie würden Sie denn das deutsch-israelische Verhältnis aktuell beschreiben, Herr Schneider?

00:03:21: Da muss man sofort fragen, auf welcher Ebene reden wir von der politischen Ebene,

00:03:25: reden wir von der gesellschaftlichen Ebene, reden wir von der kulturellen Ebene.

00:03:29: Genau da sehen wir auch, wie problematisch es ist.

00:03:31: Wir haben eine offizielle deutsche Erinnerungskultur,

00:03:34: die ganz offensichtlich in weiten Teilen der Gesellschaft überhaupt nicht mehr wirklich ankommt.

00:03:39: Wir haben eine Debatte in Deutschland, wenn es um Israel geht,

00:03:42: die sehr viel mehr mit innerdeutschen Befindlichkeiten zu tun hat als mit Israel selbst.

00:03:47: Und wir haben vor allem auch, das ist aber nicht nur ein deutsches Phänomen,

00:03:51: sondern insgesamt eine Debatte, wenn es um den Nahost-Konflikt geht

00:03:54: und an israelisch-palestinensischen Konflikt geht,

00:03:57: der vor allem geprägt ist, auch durch viel nicht wissen.

00:03:59: Aber wir sehen auch, dass die letzte Regierung die Ampel,

00:04:03: und das wird wahrscheinlich mit dieser Regierung, die jetzt kommt,

00:04:07: möglicherweise nicht viel anders sein.

00:04:09: Es sein großes Problem gibt es mit der Frage,

00:04:12: wie umgehen mit einer israelischen Regierung,

00:04:15: mit der man möglicherweise in Teilen oder vielleicht sogar in großen Teilen

00:04:19: politisch überhaupt nicht mehr beeinstimmt?

00:04:21: Die auch in Teilen rechtsextrem ist die israelische Regierung.

00:04:24: Wenn Sie sagen, es kommt auf die Ebene an, das finde ich ganz interessant.

00:04:28: Gucken wir in Deutschland zu undifferenziert auf Israel?

00:04:30: Also in der Debatte findet das überhaupt statt,

00:04:32: diese Differenzierung zwischen politischer, kultureller,

00:04:34: vielleicht auch zu wirgesellschaftlicher Ebene?

00:04:36: Ja, jenseits von der Politik, auch wirklich das Problem ist,

00:04:39: dass die meisten Menschen israelisch verstehen, nicht kennen,

00:04:42: und es als monolitischen Block sehen.

00:04:44: Und in den wenigsten Beiträgen zu dieser Debatte habe ich das Gefühl,

00:04:49: dass die Leute, die da über Israel reden, wirklich dieses Land kennen.

00:04:52: Und zwar wirklich von innen kennen,

00:04:54: nicht nur, dass sie vielleicht schon mal im Land waren,

00:04:56: sondern wirklich auch verstehen, welche Divergenzen es gibt im Land,

00:04:59: wie heftig auch die inner-israelische Debatte gerade jetzt

00:05:03: über die wiederauflammenden Kämpfe seit einigen Wochen in Gaza sind,

00:05:08: wie auch ein großer Teil der israelischen Gesellschaft verzweifelt ist,

00:05:12: über die eigene Regierung und so weiter und so weiter.

00:05:15: Das wird viel zu wenig wirklich debattiert und diskutiert.

00:05:18: Und was aber auch wenig gesehen wird,

00:05:21: ist diese Frage jenseits von allen Debatten von Völkerrecht

00:05:25: und internationalem Recht und so weiter, die man natürlich stellen muss

00:05:29: und über die man debattieren muss, ist auch die Frage,

00:05:31: wie kann grundsätzlich ein Staat, ein demokratischer Staat

00:05:36: in einem asymmetrischen Krieg überhaupt vorgehen,

00:05:39: so dass er sich selber schützen kann und gleichzeitig das Völkerrecht auch bewahrt.

00:05:44: Das ist ein Problem, das ja nicht nur auf dem aktuellen Krieg in Gaza zutrifft,

00:05:49: sondern auch viele andere Kriege, die wir in den letzten Jahren gesehen haben,

00:05:52: auch von anderen Ländern, die ganze Frage der Asymetrie

00:05:55: ist ein extrem großes rechtliches, moralisches und ethisches Problem.

00:06:00: Da muss man da auch ein bisschen reinsoumen, Herr Schneider.

00:06:06: Sie sprechen den Auskonflikt damit an,

00:06:07: den 7. Oktober, den brutalen Überfall der Hamas 2023 auf Israel.

00:06:12: Israel hat massiv zurückgeschlagen und tut es ja bis heute.

00:06:16: Man muss in diesen Zeiten immer sagen, wann man aufzeichnet,

00:06:18: weil so viel passiert, dass es Montag der 5. Mai.

00:06:21: Es gibt einem Vorgehen der israelischen Anbiet,

00:06:24: eben Gazastreifen, das jetzt ja noch mal ausgeweitet werden soll,

00:06:27: sehr viel Kritik und in der Folge wird auch Deutschland vorgeworfen,

00:06:31: sei es schlicht so unkritisch gegenüber der Regierung und der Netanyahu.

00:06:34: Ist denn diese Kritik gerade vor dem Hintergrund

00:06:38: der deutsch-israelischen Geschichte gerechtfertigt?

00:06:40: Ich denke, man muss zwei Dinge hier sich betrachten.

00:06:44: Das eine ist, wo geht Israel, wie gesagt schon in dieser Problematik

00:06:48: des asymmetrischen Krieges, so vor, dass es wirklich

00:06:51: seine Sicherheitsinteressen wahrt, wozu es das Recht hat,

00:06:55: wo es vielleicht auch versucht, die immer noch in Gaza verbleibenden Geiseln zu retten.

00:06:59: Und wo geht es darüber hinaus?

00:07:01: Das ist etwas, was man sehr genau anschauen und untersuchen muss,

00:07:04: was natürlich nicht einfach ist, weil wer ist denn schon vor Ort in Gaza,

00:07:07: um wirklich objektiv sagen zu können, was da geschieht?

00:07:10: Der Eindruck, den man hat, den auch sehr viele Israelis haben,

00:07:13: ist, dass die aktuelle israelische Regierung in den

00:07:16: jetzt wieder aufgeflammten Kämpfen nach den zweimonatigen

00:07:19: Waffenstillstand eigentlich einen Krieg führt nur aus ureigenem Interesse.

00:07:24: Netanyahu wird vorgeworfen, dass er diesem Krieg am Leben erhält,

00:07:27: weil er an der Macht bleiben will, weil er Angst hat vor seinem Prozess

00:07:32: wegen mutmaustlicher Korruption in drei Fällen,

00:07:35: weil er auch in den Händen der Rechtsextremen in seiner Koalition ist.

00:07:39: Und diese Rechtsextremen, die sagen als Einzige sehr klar, was sie wirklich wollen.

00:07:44: Sie wollen Gaza wieder erobern, sie wollen in Gaza wieder siedeln

00:07:48: und sie wollen, wenn möglich, sogar auch noch die Palästinenser vertreiben.

00:07:51: Also die einzige Gruppierung innerhalb dieser Koalition, die sozusagen

00:07:55: genau sagt, was sie will, sind diese Rechtsextremen.

00:07:58: Ohne diese Rechtsextremen verliert aber Netanyahu sofort seine Macht.

00:08:02: Da geht das ganze problemlos.

00:08:04: Und die Frage, die man in Israel stellt und das kann man auch daran sehen,

00:08:07: dass immer mehr Reservisten sich verweigern und nicht mehr zur Armee kommen,

00:08:12: wenn sie einberufen werden, dass natürlich immer mehr Israelis auch sagen,

00:08:16: das ist nicht mehr ein gerecht zu rechtfertigender Krieg,

00:08:19: nicht nur das, er gefährdet auch noch die Geiseln,

00:08:22: die noch in Gaza in den Händen der Ramass sind.

00:08:25: Ich habe gestern erst ein Gespräch gehört mit dem großen Wirtschaftsboss Eyal Waldmann,

00:08:30: der einen Unicorn gegründet und verkauft hat in Israel.

00:08:34: Und eine sehr, sehr wichtige Früpfigur ist der auch sehr klar,

00:08:37: wie viele andere aus der Opposition sagen, Netanyahu muss weg,

00:08:40: so wie dieser Krieg geführt ist, dass es geht überhaupt nicht mehr.

00:08:43: Und insofern ist Kritik an der Kriegsführung auch von außen mindestens so gerechtfertigt,

00:08:49: weil es sich ja natürlich auch von innen kommt.

00:08:51: Jetzt haben Sie eben schon angesprochen, in Deutschland stehen wir vor dem Wechsel

00:08:55: oder in dieser Woche der Wechsel der Bundesregierung.

00:08:57: Was würden Sie sagen, was müsste eine neue Bundesregierung anders,

00:09:01: vielleicht auch besser machen im Verhältnis zu Israel?

00:09:04: Das muss ich in ehrlich sagen, das kann ich Ihnen sehr schwer beantworten.

00:09:07: Das ist so komplex und so im Detail, dass es sehr schwierig zu sagen ist.

00:09:12: Ich habe mich nur gewundert über die Äußerung von Friedrich Merz schon verwochen,

00:09:17: als er gesagt hat, er wird das möglich machen,

00:09:20: dass man Premiere Netanyahu nach Deutschland einladen kann.

00:09:23: Sie wissen, dass es geht vor dem Hintergrund,

00:09:24: dass der Internationale Strafgerichtshof gegen ihn und den früheren

00:09:28: israelischen Verteidigungsminister Joav Garland einen Strafantrag gestellt hat

00:09:32: auf Verhaftung wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen.

00:09:34: Ob dieser Strafantrag gerechtfertigt ist eine ganz andere Frage,

00:09:38: darüber könnte man diskutieren.

00:09:39: Aber der ist jetzt nun mal da und es bedeutet im Klartext,

00:09:43: dass alle Staaten, die Mitglieder quasi im Internationale Strafgerichtshof sind,

00:09:47: eigentlich verpflichtet sind, dass wer in einer dieser Personen

00:09:51: ihr Staatsgebiet betrachtet, dass sie diese Person verhaftet wird.

00:09:54: Warum Friedrich Merz das ohne Mühe und Not gesagt hat, ist mir unklar.

00:09:59: Ich gehe jetzt mal vom Wahlkampf aus.

00:10:01: Ich gehe auch davon aus, dass man gegenüber der Ampel,

00:10:04: die da sehr viel mehr herumlavierte,

00:10:06: zum Teil auch mit einer problematischen Außenpolitik,

00:10:09: dass man da sozusagen einen Stand dagegen machen wollte,

00:10:12: wie die Konservativen stehen eng an der Seite Israels und aller Juden.

00:10:16: Ob man damit Israel und vor allem auch der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland

00:10:21: wirklich hilft, das ist noch mal eine ganz andere Frage,

00:10:23: aber das ist sicher nicht der Ansatz,

00:10:25: wie man tatsächlich das Verhältnis zwischen Israel und Deutschland verbessern kann.

00:10:31: Vor allem muss man sich auch fragen und diese Frage,

00:10:33: um die wird es natürlich gehen, ist dieser Begriff der deutschen Staatsräson.

00:10:37: Also, dass diese Staatsräson besagt,

00:10:39: dass man für die Sicherheit Israels verantwortlich ist.

00:10:42: Eine Formulierung, mit der ich sowieso schon seit Jahrzehnten,

00:10:46: eigentlich seit 2008, seitdem sie gesagt wurde, ein Problem hat,

00:10:49: was heißt sie in der Konsequenz.

00:10:51: Aber wenn man davon ausgeht, muss man sich natürlich die Frage stellen,

00:10:54: ist man solidarisch mit dem Staat Israel

00:10:56: oder ist man solidarisch mit der jeweiligen israelischen Regierung?

00:11:00: Und das ist eine Frage,

00:11:01: die wird natürlich, solange diese Regierung in Israel an der Macht ist,

00:11:05: natürlich auch immer virulenter.

00:11:07: Da sind wir im Kern der Debatte Herr Schneider.

00:11:08: Die neue Bundesregierung, das haben Sie gesagt,

00:11:11: bekennt sich auch dazu in Ihrem Koalitionsvertrag,

00:11:14: dass Israel sicher als deutsche Staatsräson sei, 2025.

00:11:17: Wie würden Sie denn den Begriff der Staatsräson überhaupt definieren?

00:11:20: Sie haben gesagt, dass Sie schon seit 2008 Schwierigkeiten haben damit,

00:11:23: aber was heißt er denn aktuell heute?

00:11:25: Ja, für mich heißt er ehrlich gesagt gar nichts,

00:11:28: weil ich habe 2008 das ARD-Korrespondent in der Knesset gesessen,

00:11:32: als Angela Merkel damals in ihrer Rede genau das gesagt hat,

00:11:36: was seitdem ja irgendwie immer in der Luft schwebt.

00:11:38: Und ich habe mich ja auch verkehrt, was bedeutet das in der Realität?

00:11:41: Bedeutet es, dass deutsche Soldaten im Zweifelsfall an der Seite Israel

00:11:45: am Golan oder im Westjordanland oder sonst wo kämpfen würden?

00:11:50: Und das ist natürlich abwege,

00:11:51: und es ist natürlich ganz klar, dass das nicht geschehen wird,

00:11:54: abgesehen davon, dass die Bundeswehr überhaupt nicht

00:11:57: im Moment in der Lage wären, in solchen Krieg zu führen,

00:12:00: weil man ja schon Probleme hat, überhaupt jetzt aufzurüsten.

00:12:03: Also das ist illusorisch, dass man Israel mit Waffen versorgt.

00:12:06: Was hat auch vor diesem Begriff der Staatsreaison bereits stattgefunden?

00:12:10: Das ist nichts Neues, dass man Israel mit U-Booten ausstattet,

00:12:15: von dem man weiß, dass sie für den atomaren Zweitschlag

00:12:18: gerüstet sind und dass sie das können.

00:12:20: Auch das hat er schon vorher gegeben.

00:12:21: Insofern weiß ich nicht genau, was diese Staatsräson,

00:12:24: die Faktor bedeutet und es ist eigentlich eher eine innerdeutsche Diskussion,

00:12:28: nur ist eine faktische, die im Zusammenhang mit Israel selbst.

00:12:31: Die Frage, ob man wird, die kam ja jetzt auf,

00:12:34: während des Krieges, ob man Israel überhaupt noch Waffen schicken soll

00:12:37: und Munition schicken soll, das ist eine Debatte,

00:12:40: die natürlich auch eine rechtliche Debatte ist,

00:12:43: in die ich mich gar nicht groß einmischen kann,

00:12:46: weil ich einfach kein Jurist bin und da einfach in den Details

00:12:49: mich nicht so auskenne und das auch nicht wagen würde,

00:12:51: da eine Entscheidung zu treffen oder zu sagen, was richtig oder was falsch ist.

00:12:55: Aber natürlich ist die Frage, ob man einem Staat,

00:12:58: der so angegriffen wurde, wie er angegriffen wurde,

00:13:01: nämlich mit einem genuzidalen, vom Charakter her genuzidalen Massaker,

00:13:06: ob man einem solchen zunächst einmal immer noch

00:13:08: reinegermaßen demokratischen Staat und zweifelsfall die Unterstützung versagt.

00:13:13: Und dann sind wir bei der Frage, ab welchem Moment versagt man sie?

00:13:18: Wo ist der Moment, wo die Problematik des asymmetrischen Krieges umkippt,

00:13:25: in eine Form von Krieg, die man sozusagen völkerrechtlich überhaupt

00:13:30: nicht mehr rechtfertigen kann?

00:13:31: Wir kriegen Zahlen aus Gaza vom sogenannten Gesundheitsministerium,

00:13:38: das aber in den Händen der Hamas ist.

00:13:40: Die Hamas, das wissen wir aus den früheren Kriegen,

00:13:43: zählt grundsätzlich bei den Toten.

00:13:46: Alle mit ein, das heißt getötete Hamas-Kämpfer,

00:13:49: getötete Zivilisten, aber auch Menschen eines natürlich gestorbenen Todes.

00:13:53: Die Israelis geben natürlich ihre eigenen Zahlen heraus.

00:13:56: Wir wissen, dass das Erste, was im Krieg stirbt, ist die Wahrheit.

00:14:00: Insofern müssen wir als Journalisten, dass diejenigen, die darüber berichten,

00:14:04: immer mit den Zahlen sehr, sehr vorsichtigen.

00:14:05: Inzwischen gibt die UNO-Zahlen heraus, wo ich mich frage,

00:14:08: wie sicher sind die denn?

00:14:10: Auch da bin ich immer sehr skeptisch.

00:14:12: Aber dass die Zahl der Todesopfer und das Elend in Gaza

00:14:16: wirklich unerträglich geworden ist, das ist überhaupt keine Frage.

00:14:20: Die Frage ist nur, auch darüber wird wenig debattiert,

00:14:23: wenn im Prinzip, die Ramas heute sagen würde,

00:14:25: hier habt ihr die Geiseln und wir legen die Waffen,

00:14:27: die während dieser Krieg vorbei.

00:14:29: Auch das muss man einfach mal gesagt haben,

00:14:31: was nicht verteidigt, wie Netanyahu gerade vorgeht,

00:14:36: aber wo man einfach sicher immer wieder zurück ins Bewusstsein rufen muss,

00:14:39: dass es da auch noch eine zweite Seite gibt, die diesen Krieg ja nun so auch will.

00:14:44: Schauen wir mal auf Deutschlands Rolle im Nahen Osten generell.

00:14:51: Deutschland hatte früher, ja, sie waren lange vor Ort,

00:14:54: Herr Schneider, eine viel stärkere Rolle.

00:14:56: Davon war aber jetzt schon lange vor dem 7. Oktober

00:14:58: gar nicht mehr so furchtbar viel übrig.

00:15:00: Jetzt hat natürlich Deutschlands Solidarität für Israel

00:15:03: diese unverbrüchliche Solidarität Konsequenzen,

00:15:06: nicht nur für das Standing von Deutschland in der Ost,

00:15:08: sondern auch für eine ganze Reihe von Ländern des sogenannten globalen Südens und auch in Europa.

00:15:13: Diese Länder haben eine ganz andere,

00:15:14: nämlich deutlich israelkritischere Perspektive auf den Gaza-Krieg.

00:15:18: Wie schauen Sie da drauf?

00:15:20: Wie nachhaltig ist das, glauben Sie, für Deutschlands Wahrnehmung in der Welt?

00:15:24: Ich würde das korrigieren.

00:15:25: Ich würde sogar sagen, dass in Teilen des globalen Südens

00:15:29: es nicht nur eine israelkritische, sondern Israel feindliche Haltung gibt.

00:15:32: Das glaube ich ist sehr wichtig zu erwähnen,

00:15:35: weil das genau eigentlich schon bestimmt,

00:15:36: wie man sich in Deutschland oder in anderen demokratischen Ländern verhalten muss.

00:15:40: Israelfeindlichkeit ist nicht akzeptabel,

00:15:43: denn Israelfeindlichkeit bedeutet, und das sehen wir ja auch immer wieder

00:15:46: bei diesem mittlerweile berühmt gewordenen Satz

00:15:49: "From the river to the sea, Palestine will be free"

00:15:52: eine Forderung, dass der Staat Israel zerstört werden soll,

00:15:55: sich auflösen soll, weiß der Kukuck, was.

00:15:57: Wenn es darum geht, Israelfeindlichkeit gegenüberzustehen,

00:16:01: dann denke ich, ist es relativ klar,

00:16:03: was die Bundesregierung und was die EU oder was andere demokratische Staaten

00:16:07: auch zu tun haben, nämlich das Streck zurückweisen.

00:16:10: Da gibt es überhaupt gar keine andere Haltung.

00:16:11: Bei der Kritik des sogenannten globalen Südens

00:16:14: gegenüber der Politik des Nordens in Anführungszeichen auch da

00:16:19: muss man genauso wie vor, was ich vorhin gesagt habe,

00:16:21: unglaublich aufpassen.

00:16:22: Gerade da wird unglaublich viel klichidiertes von sich gegeben,

00:16:26: wird sehr viel an poskolonialer Ideologie da auch von sich gegeben,

00:16:31: wo man versucht mit diesen poskolonialen Positionen

00:16:35: quasi wie eine Schablone jeden Konflikt heutzutage neu zu definieren.

00:16:40: Die ganze Geschichte Israels ist keine poskoloniale Geschichte.

00:16:45: Israel ist kein koloniales Gebilde.

00:16:48: Es gibt ganz andere Komplikationen und ganz andere Dinge,

00:16:51: die in der Entstehungsgeschichte Israel so und allem,

00:16:54: was danach gekommen ist, kritisch angeschaut werden.

00:16:56: Und diskutiert werden müssen.

00:16:57: Aber man muss halt wirklich diesen Konflikt anschauen und sagen,

00:17:00: was sind hier die Probleme?

00:17:02: Wo wurde von beiden Seiten Fehler gemacht?

00:17:05: Welche Verantwortung hat dafür der Westen?

00:17:07: Übrigens, was völlig vergessen wird,

00:17:09: welche Verantwortung hat dafür auch die frühere Sowjetunion?

00:17:12: Das wird nämlich sehr gerne vergessen,

00:17:14: dass der Ost-West-Konflikt sich auch in diesen Konflikt wieder

00:17:18: abbildete nach dem Krieg.

00:17:20: Das ist ein ganz, ganz wichtiges Thema,

00:17:22: das nach 1989 auch irgendwie vergessen wurde.

00:17:25: Auch die Frage, wie innerhalb der Europäischen Union

00:17:30: nach Ostpolitik gestaltet wurde.

00:17:31: Und die waren, das kann ich in wirklich aus eigener Erfahrung

00:17:34: und Beobachtung sagen, eigentlich insofern immer katastrophal,

00:17:38: dass das sich sowohl in meiner Zeit als Korrespondent für die ARD

00:17:41: wie auch in meiner Zeit, wo ich für den Spiegel jetzt

00:17:43: immer wieder bei dem Nord-Ost-Konflikt schreibe.

00:17:45: Das Erlebe, da kommt dann der EU außenbeauftragte an

00:17:49: und fährt nach Jerusalem und fährt nach Amala

00:17:51: und gibt die entsprechenden Statements ab.

00:17:53: Und kurz danach kamen dann der französische, der deutsche,

00:17:58: der britische Außenminister, als die Briten noch zur EU gehörten.

00:18:02: Und jeder hat dann was ganz anderes gesagt,

00:18:04: und jeder kochte dann sein eigenes Süppchen mit dem Ergebnis,

00:18:07: dass die Europäer als Einheit überhaupt nicht mehr wirklich stattfanden.

00:18:12: Und das bedeutete im Klartext dann auch gerade bei einem Politiker

00:18:15: wie Benjamin Netanyahu, der extrem Amerika orientiert ist

00:18:19: aufgrund seiner eigenen Biografie.

00:18:20: Der immer nur sagte, Washington ist mein, sozusagen mein Kompass.

00:18:25: Das führte natürlich ganz klar dazu,

00:18:27: dass die Europäer als politische Größe,

00:18:30: und ich sage jetzt bewusst, die Europäer, nicht nur die Deutschen,

00:18:33: überhaupt da keine Rolle spielten in dem, was diesen Konflikt bestimmte.

00:18:38: Und dass die Deutschen ganz spezifisch,

00:18:41: vor allem eine sehr wichtige Aufgabe hatten,

00:18:44: und die darf man nicht unterschätzen.

00:18:45: Und die wurde auch von den Israelis, auch von Netanyahu,

00:18:48: immer wieder beansprucht und auch hoch bewertet.

00:18:51: Nämlich den Möglichkeiten, die der BND hatte,

00:18:54: mit der Hisbollah früher oder auch mit dem Iran,

00:18:58: hinter den Kulissen zu sprechen,

00:19:00: um möglicherweise gefangenen Austausche und solche Sachen einzuleiten.

00:19:04: Also da hat Deutschland auch einen Pfund mitzubringen.

00:19:07: Aber die Wahrheit ist, dass seit Joschka Fischer,

00:19:10: der damals vor Ort war,

00:19:12: und ist mit eigenen Augen von seinem Hotelzimmer ausgesehen hat,

00:19:16: dass es einen Zepsnot-Anschlag mitten in Tel Aviv

00:19:20: vor einer Diskothek gab mit dutzenden Toten,

00:19:23: der dann nicht zurückreiste nach Deutschland,

00:19:25: sondern zwischen den damaligen israelischen Premier Ariel Sharon

00:19:30: und Yassir Arafat, damals noch der PLO-Führer und Präsident der Palästinenser,

00:19:35: wo er hin und her pendelte, um eine Katastrophe zu verhindern.

00:19:39: Aber man muss leider ehrlicherweise auch sagen,

00:19:42: dass seit Joschka Fischer es keinen deutschen Außenminister mehr gab,

00:19:46: der ein solches politisches Schwergewicht war,

00:19:49: das an der Lage gewesen wäre,

00:19:51: in diesen Konflikten irgendeiner Form wirklich einzukaufen.

00:19:54: Wenn ich Ihnen jetzt zuhöre, dann wird mir noch mal bewusst,

00:20:01: es gibt einfach ganz viele Details, ganz viele Feinheiten,

00:20:04: die man sich in dieser Debatte noch mal vor Augen fühlen muss.

00:20:06: Gleichzeitig, Sie haben es auch schon gesagt,

00:20:08: wir haben hier in Deutschland eine sehr aufgeheizte Debatte,

00:20:10: die auch eigentlich keinen Raum für Grautöne,

00:20:13: für Zwischenstufen so richtig zulässt.

00:20:15: Haben Sie eine Idee, wie wir zu einer vielleicht informierteren Debatte kommen?

00:20:20: Ich glaube, in dem Journalisten vor allem,

00:20:23: die ja über diesen Krieg berichten, auch aufhören, Aktivisten zu sein,

00:20:27: ich könnte Ihnen eine ganze Liste an Namen nennen,

00:20:30: was ich natürlich nicht tun würde, deren Berichterstattung insofern

00:20:35: für mich bereits problematisch ist,

00:20:36: weil sie zum Teil Begrifflichkeiten und Formulierungen der einen oder der anderen Seite.

00:20:42: Es gilt immer für Beiges Seiten.

00:20:43: Übernehmen, wo ich mal sage, hallo, welches Narrativ tut ihr denn hier gerade bedienen?

00:20:47: Ich finde das extrem problematisch.

00:20:49: Ich finde auch, dass da eine viel größere Verantwortung

00:20:53: von Seiten der Journalisten eingefordert werden muss

00:20:56: und dass man eben nicht in diese Falle tappt,

00:21:00: dass man meint, einen Mainstream gleich welcher Art bedienen zu müssen,

00:21:04: sondern wirklich sehr ruhig, sehr differenziert zu berichten,

00:21:07: selber den Schaum vom Mund mal wirklich beiseite zu wischen und zu sagen,

00:21:11: okay, was ist die Lage, wie schaut es aus?

00:21:14: Was wissen wir? Ganz auch ganz wichtig, was wissen wir?

00:21:17: Und was vermuten wir lediglich?

00:21:19: Auch das habe ich häufig erlebt in diesem Krieg und in früheren Kriegen sowieso,

00:21:23: aber auch in diesem Krieg natürlich jetzt ganz besonders,

00:21:26: dass da Dinge behauptet werden, wo ich sage, woher nimmst du das?

00:21:29: Woher weißt du das?

00:21:31: Und wenn ich dann ein bisschen nach recherchiere,

00:21:33: stelle ich manchmal fest, dass das von Quellen kommt,

00:21:36: die man nun wirklich nicht das zuverlässige Quellen,

00:21:39: egal von welcher Seite, wohlgemerkt.

00:21:41: Ich rede immer, dass man immer vorsichtig sein muss gegenüber beiden Seiten,

00:21:44: wo man also feststellt, dass diese Quellen nicht wirklich sauber sind.

00:21:47: Und da haben Journalisten einfach eine extrem hohe Verantwortung.

00:21:52: Und wir sprechen jetzt an, dass sich das Jahrestags der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen

00:21:57: zwischen der Bundesrepublik und Israel,

00:21:58: was erwarten Sie für die Zukunft des deutsch-israelischen Verhältnisses

00:22:02: in den nächsten Jahren und vielleicht auch Jahrzehnten?

00:22:04: Ich glaube, wir werden zwei bis drei Dinge erleben.

00:22:07: Das eine ist, dass die allgemeine Stimmung gegen Israel wird wachsen,

00:22:11: nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt,

00:22:14: dass dieser Krieg Nachwirkungen haben wird für Jahrzehnte,

00:22:19: auch mit dem entsprechenden Blick auf Israel,

00:22:22: dass so lange diese Regierung, wie so lange Netanyahu an der Macht ist,

00:22:27: sich auch das Image Israel sich nicht verändern kann und nicht verändern wird.

00:22:32: Aber es wird auch sehr davon abhängen und das darf man auch nicht vergessen,

00:22:35: wie sich Europa, wie sich Deutschland weiterentwickelt und was in den USA passiert.

00:22:40: Wir erleben eine Zeit, wo die liberalen Demokratien sich auf den Rückzug

00:22:43: oder einen Abwehrkampf befinden.

00:22:45: Wir erleben das Netanyahu schon seit vielen Jahren,

00:22:47: also nicht erst jetzt, sondern schon seit vielen Jahren,

00:22:50: immer mehr auch innerhalb der EU auf die Rechtspopulisten wie in Ungarn setzt,

00:22:56: weil er die immer benutzt hat, um eine Spaltung,

00:22:59: wenn es um irgendwelche Resolutionen gegen Israel in Brüssel ging,

00:23:03: um diese Spaltung zu erreichen innerhalb der EU,

00:23:06: was ihm auch immer wieder ganz gut gelungen ist.

00:23:08: Das heißt, wir werden einfach auch sehen müssen,

00:23:11: wie sich die Bundesrepublik entwickeln wird,

00:23:13: wie sich Europa entwickeln wird.

00:23:15: Im Zusammenhang der Frage,

00:23:16: kann man die liberalen Demokratie verteidigen?

00:23:19: Und wenn ja, was bedeutet das?

00:23:21: Denn eines muss man auch sehen,

00:23:23: dass bei allem Erschrecken über die rechtspopulistischen Entwicklungen,

00:23:27: wir haben jetzt gerade auch von Bundesverfassungsschutz diese Feststellung,

00:23:31: dass quasi die AfD gesichert rechtsextremistisch sogar sei,

00:23:35: das ist aber auch eine Reaktion,

00:23:38: alles was wir gerade erleben,

00:23:39: ist auch eine Reaktion auf ein linksliberales,

00:23:43: wokes, progressives Weltbild,

00:23:45: dass man zumindest kritisieren muss,

00:23:48: zumindest anschauen muss, wo stimmt es,

00:23:50: wo stimmt es eben überhaupt nicht.

00:23:52: Was hat sich da entwickelt,

00:23:54: was auch vorbei geht,

00:23:55: nicht nur an den Realitäten,

00:23:57: sondern auch an den Interessen,

00:23:59: an den ganzen Gesellschaftsschichten.

00:24:00: Und insofern ist die Frage,

00:24:02: wie das Verhältnis zwischen Deutschland und Israel sein wird.

00:24:06: Das muss man einbetten in ein sehr viel größeres Paket,

00:24:09: nämlich, wie Deutschland selber sich weiterentwickeln wird,

00:24:12: wie diese Fragen zwischen links und rechts,

00:24:15: zwischen liberaler Demokratie,

00:24:17: Rechtspopulismus auf der einen Seite,

00:24:19: aber auch auf der anderen Seite in gewisser Form von links extremistische Ideologie,

00:24:23: wie sich das alles weiterentwickeln wird,

00:24:25: und das ist ganz schwer voraus zu sagen.

00:24:26: Jetzt bete ich unabhängig von Israel,

00:24:28: ganz unabhängig davon, wie Israel sich entwickelt.

00:24:31: Gehen wir mal, sagen wir mal davon aus,

00:24:33: dass es Israel gelingt, wenn nächstes Jahr die Wahlen sind,

00:24:36: Netanyahu nach Hause zu schicken,

00:24:38: eine andere Regierung zu haben mit anderen Köpfen,

00:24:42: ohne den rechtsextremen Flügel,

00:24:44: sondern eine Mitte-Rechtsregierung,

00:24:46: weil links gibt es in Israel spätestens seit dem 7. Oktober gar nicht mehr.

00:24:51: Dann kommen neue Köpfe, dann kommen andere Gesichter,

00:24:54: dann kommen sich ja auch dann wieder Figuren an die Macht,

00:24:57: die für den eigenen Rechtsstaat eintreten und auch versuchen werden,

00:25:01: den irgendwie wiederherzustellen.

00:25:03: Aber das wird nicht automatisch bedeuten,

00:25:06: dass in Deutschland oder anderswo Israel die Herzen wieder zufallen werden,

00:25:11: sondern dann wird es darauf ankommen,

00:25:13: mit welchen Ideologien und mit welchem Pragmatismus

00:25:16: dann auch Politiker für dieses Verhältnis darstellen werden.

00:25:21: Sagt Richard Chaim Schneider, Journalist, Autor und Nahostexperte.

00:25:25: Lieber Herr Schneider, ganz herzlichen Dank.

00:25:27: Ich danke Ihnen.

00:25:28: Zum Schluss einer Episode unseres Podcasts

00:25:35: wollen wir immer versuchen, das Gesagte kurz zusammenzufassen,

00:25:38: irgendwie zu bündeln, was aus dem Gespräch am meisten hängen geblieben ist.

00:25:42: Das ist heute nicht so leicht.

00:25:43: Bei mir sind das eigentlich nur zwei Punkte.

00:25:45: Der erste und größte ist diese unendliche Komplexität,

00:25:49: dieses Verhältnisse vor Ort, all der Feinheiten,

00:25:54: all dieser notwendigen Differenzierung,

00:25:56: schon die Ebenen, die ihr ganz eingangs des Gesprächs

00:25:59: erwähnt hat, Richard-Schneider.

00:26:01: Worüber reden wir denn?

00:26:01: Reden wir über Politik, über Gesellschaft oder über kulturelle Beziehungen,

00:26:05: denn was dafür alles notwendig ist,

00:26:07: auf diesen Konflikt so drauf zu schauen,

00:26:09: dass man sich wirklich eine, nicht eine Haltung zulegen kann,

00:26:11: sondern wirklich eine fundierte Meinung haben kann.

00:26:14: Also Bildung, Wissen, Einsichten und nochmal all diese Feinheiten.

00:26:18: Das bedingt mich sehr, weil das so unendlich kompliziert ist.

00:26:21: Und das andere letzter Punkt ist,

00:26:23: dass es mindestens kurzfristig, aber wahrscheinlich auch mittelfristig,

00:26:27: nicht viel Hoffnung gibt, dass das irgendwie besser wird vor Ort.

00:26:32: Das mag nicht für das Verhältnis der beiden Staaten gelten,

00:26:34: aber für die Situation vor Ort sieht es einfach nicht wirklich gut aus.

00:26:38: Katharina, was nimmst du denn mit?

00:26:40: Mir ging es ähnlich wie dir mit dem Stichwort Komplexität.

00:26:43: Ich finde, es ist einfach nochmal sehr klar geworden,

00:26:46: wie komplex dieser Konflikt ist

00:26:48: und dass wir auch mit der Debatte, die wir in Deutschland aber auch international führen,

00:26:53: dem eigentlich nicht gerecht werden,

00:26:55: wo noch sehr viel Schwarz-Weiß und einfach sehr viel Polarisierung auftritt.

00:26:58: Das deutsch-israelische Verhältnis auf diesen verschiedenen Ebenen,

00:27:01: das finde ich auch interessant und auch eben der Punkt,

00:27:03: dass Staatsräson so ein bisschen ein hohler Begriff ist,

00:27:06: weil niemand so ganz genau sagt, was heißt denn das eigentlich?

00:27:09: Und was bedeutet Solidarität mit Israel,

00:27:11: also mit wem, mit der Bevölkerung oder mit der jeweiligen Regierung?

00:27:15: Und auch interessant fand ich den Punkt,

00:27:17: dass eben das deutsch-israelische Verhältnis mit Blick in die Zukunft

00:27:21: auch davon abhängt, was einfach in Deutschland passiert,

00:27:23: welche Konflikte wir hier noch debattieren werden.

00:27:25: Da ist mir einfach insgesamt nochmal so bewusst geworden.

00:27:27: Natürlich in Politik und Außenpolitik, es hängt sehr stark miteinander zusammen

00:27:31: und deswegen auch, was wir hier im Podcast immer wieder besprechen,

00:27:34: es ist nicht voneinander zu trennen, unser Leben.

00:27:37: Damit endet unsere heutige Folge.

00:27:43: In der nächsten Episode können Sie ab dem 22. Mai hören,

00:27:46: dann geht es um einen ersten außen- und sicherheitspolitischen Blick

00:27:49: auf die neue Bundesregierung.

00:27:51: Bund aus Termingunden werde ich diese Folge ausnahmsweise alleine hosten.

00:27:55: Zu Gast sein wird Benedikt Franke,

00:27:57: er ist von der Münchner Sicherheitskonferenz

00:27:59: und für heute sagen wir ganz herzlichen Dank fürs Zuhören.

00:28:02: Ich bin Martin Bialecki.

00:28:04: Und ich bin Katharina Peetz. Danke und machen Sie es gut.

00:28:07: [Musik]

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