Deutschlands Wahl, Österreichs Déjà-vu: Wie umgehen mit Rechtspopulisten? (mit Florian Klenk)
Shownotes
„Unsere Hand ist ausgestreckt“, ließ AfD-Chefin Alice Weidel noch am Wahlabend den CDU-Wahlsieger Friedrich Merz wissen. Auch in Österreich haben die Rechtspopulisten Aufwind: Die FPÖ ging als stärkste Kraft aus den Nationalratswahlen im September 2024 hervor. Zwar scheiterten Herbert Kickls Kanzlerträume letztlich, und auch Alice Weidel wird nicht Teil der nächsten Bundesregierung sein. Doch die Frage nach dem richtigen Umgang mit dem Rechtspopulismus bleibt.
Wie blickt man in unserem Nachbarland auf das deutsche Wahlergebnis? Was unterscheidet und eint die Rechtspopulisten beider Länder? Warum könnte eine „Stützmauer“ für liberale (Bürger-)Rechte wichtiger sein als eine „Brandmauer“ gegen extreme Rechte? Und wie könnte ein linkes Politik-Angebot aussehen, das den europäischen Rechtspopulisten den Wind aus den Segeln nimmt?
Diese und weitere Fragen diskutieren Martin Bialecki und Katharina Peetz in der neuen Folge von „Pod und die Welt“ mit Florian Klenk, Chefredakteur der österreichischen Wochenzeitung Falter.
Gast: Florian Klenk, Chefredakteur der österreichischen Wochenzeitung Falter (@klenkflorian.bsky.social)
Links und Empfehlungen aus der Folge:
- Hört bitte mit dieser unseligen „Brandmauer“-Metapher auf, Florian Klenk, FALTER (2025).
- Mehr Gerechtigkeit! Wir brauchen eine neue Bodenordnung – nur dann wird auch Wohnen wieder bezahlbar, Hans-Jochen Vogel, Verlag Herder (2019).
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Transkript anzeigen
00:00:00: "Die Begriffsstützmauer gefällt mir viel besser als Brandmauer, weil die Brandmauer ja ein Bild
00:00:04: symbolisiert, als würde ein Land abbrennen, wenn die AfD regiert, als würde etwas nachher
00:00:09: verkohlt darlegen und so ist es ja nicht. Auch dort wo die FPÖ bei uns regiert hat, ist ja
00:00:13: nichts abgebrannt, sondern es ist etwas in Rotschen gegarten, nämlich die Liberale Demokratie."
00:00:18: Eine neue Folge von POTS und die Welt. Wir sagen herzlich willkommen. Ich bin Martin Bielecki,
00:00:24: Chefadenter der Zeitschrift "Internationalen Politik" und ich bin Katharina Peetz, freie Journalistin.
00:00:29: In kurzer, vielleicht auch deshalb besonders aufgeheizter atemloser Wahlkampf liegt hinter
00:00:36: uns, sodass manche politische Beobachter diese Bundestagswahl regelrecht herbeigesänt haben,
00:00:41: also dass sie vorbei sein wird. Nun liegt ein Wahlergebnis vor, das trotzdem nicht unbedingt die
00:00:46: erhoffte Klarheit mit sich bringt. "Die Union ist starke Kraft, obwohl sie unter der 30-Prozent-Marke
00:00:52: geblieben ist und kann rechnerisch eine Koalition mit der SPD bilden. Die Verhandlungen durften aber
00:00:57: ziemlich schwierig werden. Die FDP ist aus dem Bundestag geflogen, das BSE hat es nicht reingeschafft.
00:01:03: Die Grünen haben verloren, die Linken an geradezu raketenhaften Aufstieg hingelegt.
00:01:07: Zweitstarkste Kraft und damit Oppositionsführung Bundestag wird aber die in Teilen rechtsextreme AfD."
00:01:13: Ja und wir freuen uns, dass wir in der heutigen Folge diese Wahl analysieren können mit dem Blick
00:01:17: von außen, nämlich aus dem europäischen Ausland. Wir wollen den Fokus legen auf das starke Abschneidender
00:01:22: AfD und die internationale Vernetzung der rechtspopulistischen Parteien und wir freuen uns sehr,
00:01:27: dass unser Gast hier ist Florian Klank, Chefredaktor von der österreichischen
00:01:31: Wochenzeitung Falta. Schön, dass Sie dabei sind. "Hallo, schön, grüßt ihr uns, Wien."
00:01:34: Vielleicht erstmal ganz allgemein, wir gucken natürlich ganz viel gerade auf die deutsche
00:01:43: Debatte. Wie blickt man denn in Österreich auf das Ergebnis der deutschen Bundestagswahl?
00:01:47: "Naja, für uns ist das ein Blick in unsere eigene Vergangenheit.
00:01:50: Der Beginn des Schumpfens der großen, staatstragenden Parteien, wobei man dazu
00:01:54: sein muss, dass die Sozialdemokratie sich in Österreich nicht so zusammengebrochen ist wie
00:01:59: jetzt in Deutschland. Aber wir sehen diese in Deutschland zwischen Entsetzen, Schicksalshaftigkeit
00:02:06: und Naturgesetzlichkeit schwankende Beobachtung der AfD. Also die Kräfte der Mitte stehen vor diesem
00:02:13: Phänomen, wie das Kaninchen für der Schlangen wissen nicht so recht, was sie damit tun sollen.
00:02:18: Soll man es demonisieren, soll man dieser Partei das Hitlerbärtchen aufkleben, soll man sie
00:02:23: rechtsextremen nennen, teilweise rechtsextremen, rechtspopulistisch Russland nahe, destruktiv,
00:02:29: radikal. Wir kennen das eigentlich aus dem Jahr 2000. Das ist jetzt ein Vierteljahrhundert her,
00:02:34: als sich der bekannte rechtspopulist Jörg Keider angeschickt hat, so ähnlich wie Alice Weidel,
00:02:41: einfach mit dem Establishment aufzuräumen, destruktiv zu agieren, frech zu sein, Medien zu
00:02:47: beleidigen. Und man ist eben nicht hergeworden. Man wusste eigentlich nicht, wie man damit umgeht,
00:02:52: die einen haben die Bildsprache der FPÖ, des Jörg Keider, dieses Fesche oder auch bei Alice Weidel,
00:02:59: wenn man sich so ihre TikTok-Videos anschaut. Also diese Mischung hat man in Österreich einmal
00:03:05: dafür den Begriff des Faschismus geprägt, am Inturn her. Die fashion-Leute, die so eine faschistische
00:03:11: Grundkammerton mit sich tragen, aber eigentlich nicht Nazis sind, so wie man das aus der NPD Zeit
00:03:16: kennt, also keine Glatzköpfe, die da durch die Grafen revoltieren sollen. Wir sind sie fashion, cool
00:03:20: und hip und brechen. Und ich glaube, da haben wir ein Déjà-vu in Österreich, wenn wir zu euch
00:03:26: schauen. Auch die Brandmauer-Debatte, die ich immer gerne lieber als Stützmauer-Debatte
00:03:31: geframet hätte. Das Begriff Stützmauer gefällt mir viel besser als Brandmauer, weil die Brandmauer
00:03:35: ja ein Bild symbolisiert, als würde ein Land abbrennen, wenn die AfD regiert, als würde etwas
00:03:42: nachher verkohlt darliegen und so ist es ja nicht. Auch dort, wo die FPÖ bei uns regiert hat, ist ja
00:03:47: nichts abgebrannt, sondern es ist etwas ins Rutschen gegarten, nämlich die Liberale Demokratie.
00:03:52: Das waren schon ganz viele Parallelen und Unterschiede zwischen Österreich und
00:03:56: Deutschland aus den Rechtspopulismus anbelangt. Die wollen das gleich noch vertiefen, wollen aber
00:04:00: gerade noch ein bisschen auf Österreich selbst auch schauen. Da ist ja vor gar nicht allzweiterer
00:04:03: Zeit gewählt worden. Die FPÖ hat sich da bei den Nationalratswahlen im September des vergangenen
00:04:09: Jahres erstmals als stärkste Kraft durchsetzen können und sie hat dann den Auftrag zur Regierungsbildung
00:04:15: bekommen zwischenzeitlich. Dann sind die Gespräche geplatzt. Trotzdem war die FPÖ ja noch nie so
00:04:20: nah dran, den Kanzler zu stellen. Es gibt ja die These, Herr Kleng, dass Österreich in dieser
00:04:23: Hinsicht Deutschland einige Jahre voraus ist und wir hier in Deutschland bald eine ähnliche
00:04:29: Situation erleben könnten. Teilen Sie diese These? Ich weiß nicht, wie sehr man die Länder
00:04:34: vergleichen kann. Deutschland ist wesentlich urbamer. Deutschland hat viel mehr städtische Zentren
00:04:40: als Österreich. Österreich hat im Grund genommen nur eine wirkliche Großstadt. Das ist Wien,
00:04:44: dann kann man auch Linz und Graz dazu zählen, aber Österreich ist eigentlich ein sehr ländliches
00:04:48: Land. Deutschland hat eine ganz andere Form der Re-education erlebt nach dem zweiten Welt.
00:04:51: Sie kriegen eine ganz andere Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus als Österreich.
00:04:55: Und Österreich hat nicht so wie Deutschland eine Art Wiedervereinigung erlebt mit zwei
00:05:00: 40 Jahre lang völlig auseinandergelebten politischen Systemen, die auch die Bevölkerung
00:05:05: mehr geprägt haben, als wir es vielleicht vor 35 Jahren oder 36 Jahren mittlerweile geglaubt hätten.
00:05:11: Insofern ist das nicht vergleichbar. Was vergleichbar sind, ist natürlich Methoden der Rechtspopulisten.
00:05:16: Die Art, wie man mit Journalisten und Medien umgeht, die nicht mehr rufiert, sondern angegriffen
00:05:22: werden. Ich glaube, eine der großen Lektionen aus Österreich ist, dass die FPÖ es geschafft
00:05:27: hat, sich ein ganz eigene Medienwelt aufzubauen, vor allem auch nach der Corona-Zeit und in
00:05:32: dieser Medienwelt eine Gegeneffentlichkeit programmiert hat. Man kann das vielleicht
00:05:37: jetzt nicht im Inhalt, aber in den Methoden durchaus vergleichen mit den 68ern, die dort
00:05:43: auch begonnen haben, sozusagen eigene Medien zu gründen, eigene Alternative Media. Der
00:05:47: Begriff Alternative Media kommt ja eigentlich aus der Linken. Die gesagt haben, wir wollen
00:05:51: mit dieser Springerpreise nicht mehr. Wir wollen diese klassischen bürgerlichen Medien
00:05:55: nicht, sondern wir brauchen etwas Kritisches, etwas, was ausspricht, was wirklich Sache ist.
00:05:59: Und die Rechten limitieren diese Sprache und schaffen sich ja gegen Welten, in denen
00:06:04: ja nicht vordergründig Propaganda betrieben wird, sondern immer so getan wird, als würde
00:06:09: man etwas aussprechen, was die anderen nicht aussprechen. Und das ist eine Lektion, die
00:06:14: man, glaube ich, aus Österreich mitnehmen kann. Jörg Heider hat sehr früh damit begonnen,
00:06:18: zu sagen, wenn ich an der Macht bin, wird in den Redaktionsstuben weniger gelogen und
00:06:21: hat gleichzeitig natürlich Lügenmedien aufgebaut, die nur gelogen haben. Auf das muss man,
00:06:26: glaube ich, verflucht aufpassen. Man muss es sozusagen auch, für dich fast gesagt,
00:06:30: infiltrieren mit journalistischen Inhalten. Man darf diese Gegenwelten nicht einfach
00:06:35: sich selbst überlassen. Ich glaube, das ist ein ganz entspringener Punkt. Das heißt,
00:06:39: eine Lektion ist sicher, dass der klassische Journalismus und die Journalistinnen und
00:06:44: Journalisten die Berührung zu dem Milieu des AfD-Welt nicht verlieren dürfen und keine
00:06:49: verächtlich machen und auch keine Auge anzuentwickeln dürfen gegenüber dieser politischen Szene.
00:06:53: In Deutschland sagen ja viele, dass man den Wählerwillen ignorieren würde, wenn man die
00:07:02: AfD jetzt nicht entsprechend ihres Ergebnisses mit einbeziehen würde in die Diskussionen
00:07:07: und auch in die politischen Entscheidungen. Wie wird es in Österreich diskutiert, was
00:07:11: die FPÖ anbelangt? Das heißt, ich fahre ein sehr schwaches Argument, weil der Wählerwille
00:07:16: heißt ja nur, dass die AfD oder die FPÖ in den Bundestag oder den Nationalrat gewählt
00:07:20: wurde und das sitzt sie auch. Ihr habt ja auch nicht den Bundeskanzler gewählt und ihr habt
00:07:24: ja auch nicht die Regierung gewählt, sondern so wie in Österreich die präsentativen Vertreter
00:07:28: in den gesetzgebenden Körperschaften. Und in Österreich kann man die Antwort eigentlich
00:07:33: sehr leicht geben. Die ÖFWB, der damaligen Kanzler Karl Nehammer, hat versprochen, niemals
00:07:39: mit der FPÖ zu kollegieren. Das heißt, die Leute, die die ÖFWB gewählt haben, wussten,
00:07:44: dass Herrbert Kickel nicht in Amt und Würden kommt. Genauso war es bei der sozialdemokratischen
00:07:49: Partei, bei den Grünen und bei uns, bei den Liberalen, bei den Neos. Das heißt, 70%
00:07:54: der Wählerinnen und Wähler haben Parteien gewählt, die vor der Wahl ganz klar gesagt
00:07:58: haben, wir wollen nicht mit Herrbert Kickel, wir wollen Herrbert Kickel nicht in der Regierung.
00:08:02: Das heißt, ich hielt es eher für einen Verrat am Wählermotum, wenn eine dieser Parteien
00:08:06: umkippen würde und sagen würde, dass wir vorhin versprochen haben, gilt nachher nicht
00:08:10: mehr. Und kurz hat sie danach ausgeschaut, dass die ÖFWB kolliert. Der Wähler-Wähler
00:08:14: zu regieren besteht dann, wenn die Partei die absolute Mehrheit hat, dann haben sie die
00:08:18: absolute Mehrheit und sonst müssen sie die Mehrheit finden. Und wenn sie die nicht finden,
00:08:22: repräsentieren sie eben nicht die Mehrheit der Wähler. Also das ist ein ganz im Plumpes
00:08:25: Argument. Da sind wir dann nochmal bei dem Stichwort,
00:08:27: was Sie eben schon genannt haben, Brandmauer. Und dass Sie sich an dem Begriff eigentlich
00:08:31: so ein bisschen stören, stattdessen lieber die Stützmauer als Begriff nutzen. Können
00:08:36: Sie nochmal erklären, was Sie damit genau meinen?
00:08:38: Ich meine damit, dass man nicht den Eintracht erwecken soll, wenn die Rechtspopulisten in
00:08:42: Europa mitregieren. Ich lege jetzt mal den Schwerpunkt darauf. Ich rede jetzt nicht so
00:08:47: von Ohrbarn, wo ja absolut regiert wird oder Polen, wo sie mitregieren, dass danach das
00:08:52: Chaos ausbricht. Oft ist das ginge der Fall. Und das ist ja sozusagen der große Überraschungseffekt
00:08:57: auch bei uns gewesen, dass das Chaos meistens ausgeblicken ist. Und dass sich eigentlich
00:09:02: sehr schnell die Parteien, jetzt hätte ich fast schon AfD-Sprech gesagt, an den Futtertrügen
00:09:07: der Macht gut eingefunden haben. Ich weiß nicht, ob das bei Herbert Kiekel so gelaufen
00:09:10: wäre, aber wir sehen es bei den Regierungen, bei uns in den Bundesländern, in die FPÖ mitregiert,
00:09:15: ist sie eigentlich ziemlich langweilig. Sie macht hin und wieder mal einen Rülpser oder
00:09:19: irgendeine provokante Bemerkung. Aber es ist nicht so, dass da das Land abbrennt. Und
00:09:24: daher ist es eigentlich schwierig, immer den Leuten zu sagen, wenn die Regierenden
00:09:26: brennt das Land ab. Also das ist nicht Trump und Musk. Trump und Musk, da kriegt man schon
00:09:31: ein bisschen mehr Bauch. Ich verwende lieber das Wort "Stützmauer", weil es ja um
00:09:36: safeguards geht. Das geht ja eigentlich, was ist denn die liberale Demokratie? Ist eine
00:09:41: nicht autoritäre Demokratie? Das heißt eine Demokratie, die Jackson Balances hat, die
00:09:46: eine funktionierende Presse hat, die eine funktionierende Justiz hat, die funktionierende
00:09:51: Rechnungshöfe hat, statistische Zentraleimter hat, die ordentliche Untersuchungsausschüsse
00:09:56: hat, die eine politische Redenkultur hat. Also in der eben die Partei dirigiert auch die
00:10:03: Opposition eingemeinden muss und in der sie ständig in ihrer Ausbildung der Macht kontrolliert
00:10:09: wird. Und das ist etwas, das eben den illiberalen Parteien überhaupt nicht schmeckt, weil sie
00:10:13: gerne durchregieren wollen. Weil sie auch diese Fantasie des Durchregierens ständig
00:10:17: propagieren, das Jagenster anderen. Wenn Alice Weidel sagt, wir jagen unsere Gegner, dann
00:10:22: ist es ja die größtmögliche undemokratische Form, zu sagen Leute, die von anderen Leuten
00:10:26: gewählt werden, jagen wir. Also was ist denn das für ein Verständnis? Oder wenn Kickel
00:10:30: sagt, die anderen Parteien sind die Einheitspartei, die nicht das Volk repräsentieren. Wegzugehen
00:10:34: von der Idee einer repräsentativen Demokratie, in dem der einzelne Abgeordnete seine Wähler
00:10:39: repräsentiert, aber eben auch kontrolliert wird durch die Institutionen der anderen
00:10:43: Wähler. Und das wollen die illiberalen nicht. Und die Stützmauer meine ich damit, dass
00:10:48: genau diese Safeguards eben uns davor schützen sollen, dass diese Sicherheiten nicht abrutschen.
00:10:54: Und wir haben bei Sebastian Kurz, den ich nur als eine rasierte und eingegählte Variante
00:11:00: von Herbert Kickel sehe, erlebt, dass im Grunde genommen die gleiche Politik betreibt,
00:11:05: nämlich Sicherungssysteme rausdrehen. Er hat sich an den Sicherungskasten der Demokratie
00:11:10: gestellt und hat begonnen an den einzelnen Sicherungen zu drehen. Er hat die Presse versucht
00:11:15: zu korrumpieren. Er hat die Justiz und die Staatsanwaltschaft angegriffen. Er hat die
00:11:19: Korruptionsbehörden lächerlich gemacht. Er hat die Ur-Ausschüsse als Theaterklamauk
00:11:25: lächerlich gemacht, sogar das Parlament hat gesagt, er fühlt sich gar nicht wohl. Er
00:11:28: hat rund um in seiner Partei Seniorität und Dissidenz entfernt.
00:11:33: hat eine Jubelbewegung gemacht, nicht eine Bürgerbewegung, sondern so eine, wir haben
00:11:38: immer gesagt, die Bastige Beetzliga. Da hat man gemerkt, wohin die Reise gehen soll,
00:11:43: nämlich in eine Machtausübung, die möglichst wenig Widerspruch hat, weil sie diese Fantasie
00:11:48: des Durchregierens, der großen Reform, der großen Sprünge endlich einmal durchsetzt.
00:11:54: Aber die Demokratie ist ein bisschen komplizierter. Die Demokratie ist, wie es bei uns der Bundespräsident
00:11:58: von der Berne gesagt hat, eben der Kompromiss, ist der Kompromiss und das ist, sagen wir mal,
00:12:04: eine Message, die ein bisschen zu untergeht.
00:12:06: Schauen wir auf die Vernetzung der Rechtspopulisten in Europa und auch transatlantisch. Dann sind
00:12:16: ja AfD und FPÖ ziemlich eng verbandelt. Man arbeitet auf ganz, ganz vielen Ebenen miteinander
00:12:21: auch, was so Strategien, anmellang den Austausch von Ideen, Frage, welche Rolle spielt denn diese
00:12:28: Vernetzung der europäischen Rechten für den aktuellen Siegeszug dieser Bewegung?
00:12:33: Ich glaube, dass die Parteien sehr stark voneinander lernen in der Art, wie sie kommunizieren. Also es
00:12:39: gibt ja immer wieder, wenn man so durch soziale Medien scrollt, sehr schöne Zusammenstellungen,
00:12:44: wie ähnlich Reden aufgebaut sind, wie ähnlich Attacken aufgebaut sind. Also wenn sie Kickel hören
00:12:49: und Weidel hören, dann sehen sie ja, dass sie in sehr ähnliche Argumentationsmuster sind. Ich
00:12:52: glaube schon, dass sie lernen ihre Crashretorik und ihren Destruktivismus und ihre Zerstörungsreden.
00:12:58: Schauen sie sich viel voneinander ab. Sie sind sich, glaube ich, auch einig in der Ablehnung von
00:13:02: Einwanderung. Sie wissen, dass die Leute Angst haben vor zu viel Zuwanderung, zwar zu viel
00:13:08: muslimischen Einwanderern. Ich glaube, da haben sie Gemeinsamkeiten. Sie sind sich, glaube ich,
00:13:12: auch einig in ihrer Nähe zu Korruption. Wir haben ja die drei großen Säulen des Rechtspopulismus,
00:13:18: das ist Korruption, das ist bei uns sehr oft Trockenhandel und das ist echt extremismus. Ich
00:13:23: glaube, da finden wir immer wieder so seine Gemeinsamkeiten. Aber sie sind interessanterweise
00:13:28: zum Beispiel wieder nicht so einig, wenn es um die Ukraine geht. Also wenn man Miloni anschaut,
00:13:33: auch Lippen, merkt man, dass es da schon große Unterschiede gibt. Ich glaube, sie sind sich nicht
00:13:39: einig, wenn es um die Frage geht, wie Europa letztlich organisiert wird. Da gibt es große
00:13:45: Unterschiede. Letztlich sind sie natürlich Nationalisten. Nationalisten haben natürlich immer
00:13:50: Eigeninteressen, die die anderen ausschließen. Aber sie lernen voneinander und sie sind natürlich
00:13:57: in Zeiten, wo östlich Putin und westlich Trump lauert, sehr verlockt, sich einer dieser
00:14:03: Mächte anzuschmieren. Und das war interessant in Österreich, dass sowohl Sebastian Kurz als auch
00:14:07: Herbert Kickel nach Trumps Sieg es überhaupt nicht erwarten konnte, so sagen Trump symbolisch die
00:14:13: Füße zu küssen, zu gratulieren, so sagen wir toll, das macht. Das hat mich dann schon und
00:14:17: verwundert, dass man den Präsidenten, der gerade die transatlantische Kooperation zumindest auf
00:14:23: einer symbolischen Ebene infrage stellt, so begeistert begrüßt. Die FPÖ hat ja auch einen
00:14:28: Pakt sogar den offiziellen Freundschaftsvertrag mit der partei-erniges Russland von Vladimir Putin
00:14:33: 2016 geschlossen, also noch zwei Jahre nach Einmarsch in der Grimm. Und wir sehen auch,
00:14:38: dass, was Sie jetzt beschreiben, mit der FPÖ haben wir bei der AfD auch gesehen, Alice Weidel hat
00:14:42: nach der Wahl sich gefreut darüber, dass ein Anruf morgens von Elon Musk sie erwartete. Sehen Sie
00:14:48: denn das als dann eine Gemeinsamkeit, dass man sozusagen einen transatlantischen, rechtspopulistischen
00:14:53: Sturm erwartet? Es ist schwierig zu sagen. Ich glaube natürlich, dass Weidel sich geschmeißelt,
00:14:58: fühlt, wenn jemand will, Musk sie interviewt und ist ein bisschen gewirkt wie so ein Schulmädchen
00:15:03: vor der Latein-Madura, so ein bisschen aufgeregt. Also, es hat sich auch ein bisschen überfordert,
00:15:07: hatte ich den Eindruck. Ja, meinen Sie jetzt diesen Auftritt bei Ex dieses Livegespräch noch vor der
00:15:12: Wahl. Die FPÖ in Österreich habe ich jetzt als große Mask-Bewunderungspartei noch nicht gesehen.
00:15:18: Ich glaube, dass den Leuten die FPÖ wählen, Elon Musk irgendwie Unheimliches. Also, die Österreicher
00:15:25: sind ja eher gemiertliche Leute, wenn da jemand mit der Motorsäge auf die Bühne kommt und sagt,
00:15:29: ich hank jetzt den Staat zusammen, du siehst, ich verstehe es in Österreich, es ist ein Beamtenstaat.
00:15:33: Also, ich werde ein bisschen vorsichtig, ob das wirklich so gut ankommt, dass ich bin mir nicht
00:15:39: sicher. Und ich meine letztlich, das Wahlergebnis der AfD ist schön, aber man sieht ja auch wiederum,
00:15:45: der Einfluss von Musk ist dann auch wieder irgendwo begrenzt. Ja, also bei 20 Prozent,
00:15:50: ich bin 5. in Österreich hat die FPÖ 30 Prozent, die Rechtspopulisten hatten in Österreich immer
00:15:54: 30 Prozent, die waren noch sehr oft in verschiedenen Splitterparteien aufgeschlüsselt. Da gab es dann
00:16:01: immer wieder so nachgeburtender FPÖ und Splitterparteien. Also, dass ein 5. der Bevölkerung
00:16:06: rechtspopulistisch wählt, das schockiert mich eigentlich gar nicht so, muss ich sagen. Das ist
00:16:10: eher beklemmend, dass das in den neuen Bundesländern so stark ist, aber dass in Österreich jeder Dritte
00:16:17: eine rechtspopulistische Partei wählt. Das war bei uns seit den 90er Jahren, so seit dem Fall des
00:16:22: einzelnen Vorhangs, haben die immer starke Ergebnisse gehabt. Das heißt, man sollte das einfach so
00:16:27: akzeptieren oder das wäre meine einigere Frage gewesen, was kann man denn dem entgegensetzen?
00:16:32: Naja, ich glaube, dass die Sozialdemokratie, die ja jetzt wirklich eine Krise hat, drei Dinge
00:16:37: kennen muss. Einerseits, dass sie eine Ordnungspolitik braucht. Wir hatten ein Interview mit dem ehemaligen
00:16:43: SPÖ-Bundeskanzler Alfred Guesenbauer, der ein Berater von René Benko geworden ist, aber der
00:16:47: eine sehr gescheite Bewergung, gesagt hat, Sozialdemokratie ist immer auch Ordnungspolitik. Das heißt,
00:16:52: nicht, dass man reaktionär oder repressiv sein muss oder lauend ordentlich haben, aber die Leute
00:16:57: brauchen eine Ordnung. Gerade Leute, die finanziell schwach dastehen, Leute, die in prekären
00:17:03: Verhältnissen leben, die in schlechteren Vierteln leben müssen, die vielleicht länger zur Arbeit
00:17:08: pendeln müssen, die vielleicht heute Nacht unterwegs sein müssen, fürchten sich, wenn es
00:17:13: Unordnung gibt. Und ich glaube, das ist eine Lektion, die die Linke vergessen hat, auch unter dem Eindruck
00:17:19: sehr progressiver kräfte, vielleicht unter Eindruck dessen, was man gerne so ein bisschen
00:17:23: spürtisch die "Voke" Bewegung nennt, dass zum Beispiel Polizeipolitik etwas wichtig ist,
00:17:29: ist für eine linke Bewegung. Dieser berühmte New Left Realism on Crime, der in den 70er/80er
00:17:35: Jahren in der Krimiologie einzugehalten hat zu sagen, Sicherheitspolitik ist auch Sozialpolitik.
00:17:41: Ich glaube, das ist einer der großen Fehler der Linken gewesen, die Polizei sozusagen als eine
00:17:44: faschistische Harte zu framing, die nur hineinbrügelte. Und den Wien hätte man immer vorher gesagt,
00:17:50: den Rionskiberer oder den Bürgerpolizisten, der Polizist als Teil der Gesellschaft, der nicht
00:17:57: irgendwie im Bürgerkriegs-Uniform mit Schnürstiefeln bewaffnet durch das Kreuzelpatuliert,
00:18:02: sondern der die Augen und Rohren offenheit und für Sicherheit ist, der ansprechbar ist, der
00:18:05: wenn er lauten rädelt, der weiß, was los ist. Ich glaube, das ist zum Beispiel eine ganz wichtige
00:18:09: Rungen schafft auch einer Linkensicherheitspolitik. Die Polizei auch als einer der wenigen Jobs,
00:18:13: in denen Leute die eher unterprivilegierte Verhältnisse haben, aufsteigen können,
00:18:18: in denen sie sehr einfach, sehr niederschwellig Staatsmacht ausüben können, Verhältnismäßigkeits-
00:18:23: Grundsätze leben können, erleben können, wie der Staat funktioniert. Ich glaube, das ist ein
00:18:27: Punkt. Der zweite Punkt ist, ich glaube, es braucht eine Diskussion über Migrationspolitik, die einerseits
00:18:32: klar macht, dass man in einer Zeit, wo immer weniger Kinder geboren werden von der sogenannten
00:18:36: Autochtonenbevölkerung, wo die Boomer so langsam aussterben und die Generation bilden, die weiß man,
00:18:42: dass man Einwanderung braucht, dass aber auch diese Einwanderung geregelt gehört. Das ist auch
00:18:45: keine reaktionäre Forderung, zu sagen, Asylpolitik kann Einwanderungspolitik nicht ersetzen. Und
00:18:51: ich glaube, da fehlen vernünftige Linke lautes Stimmen. Ich glaube, dass viele Linke Thinktanks
00:18:58: und wenn man mit den Leuten dann gerade so Asylberatungsstellen, wenn man mit denen diskutiert,
00:19:03: das ist sehr viele kluge Dinge sagen, aber es fehlt mir so sagen jemand, der das auch glaubwürdig
00:19:07: politisch vermarktet. Und wenn Schult dann halt irgendwann mal auf den Boot sorgt und sagt,
00:19:11: jetzt müssen wir mehr abschieben, das ist ja eher eine Reaktion als eine Politik. Und ich glaube,
00:19:15: das dritte ist zu sagen, was ist ein Sozialstaat eigentlich gewesen? Das war ja nicht nur eine
00:19:20: linke Erfindung, es war ja auch eine konservative Erfindung. Ich habe einmal mit großem Interesse
00:19:23: von Hans-Jochen Vogel das Buch über Bodenpolitik gelesen, immerige Sozialdemokrat, deutsche,
00:19:29: ein wahnsinnig spannendes Buch geschrieben hat über Bodenpolitik, wie sehr Bodenpolitik,
00:19:34: nämlich der Aufkauf von Grund und Boden, um darauf Wohnungen zu bauen und dadurch günstige
00:19:38: Mieten zu ermögkeln, wie sehr das eine konservative Politik war nach dem Zeitbild geht, wie sehr
00:19:42: Christdemokratischparteien auf diese Art von Politik gesetzt haben, anstatt nur die Investoreninteressen
00:19:47: einzeln dazu bedienen. Das sind so Kernpfeiler, ja, Sozialpolitik, eine Wohnungspolitik und
00:19:52: eine Ordnungspolitik. Der kleinen Schritt, der nicht die großen Ansagen, sondern tatsächlich das
00:19:56: Leben der Leute Schritt für Schritt verbessern. Sagt Florian Klenk, Chefproduktur der österreichischen
00:20:01: Wochenzeitung der Falter. Ganz herzlichen Dank für ihre Zeit, für ihre Einblicke und Hinweise,
00:20:06: lieber Herr Klenk. Danke schön, schön, die Grüße Deutschland.
00:20:09: Eine sehr wertvolle Außenperspektive auf das Geschehen bei uns in Deutschland und eben auch
00:20:18: darüber hinaus. Zum Schluss einer jeden Episode wollen wir noch mal kurz in uns gehen und zusammenfassen,
00:20:23: was so besonders hängen geblieben ist. Ich finde direkt ganz am Anfang die Aussage interessant,
00:20:29: dass das, was wir jetzt in Deutschland erleben, in Österreich so ein bisschen der Blick in die
00:20:32: Vergangenheit ist, dass es einfach sehr viele Parallelen gibt, gerade auch, was die Methoden
00:20:36: von rechtspopulistischen Parteien angeht, also wie sie auftreten, welche Attacken sie fahren,
00:20:42: wie sie reden aufbauen. Dass es natürlich inhaltliche Schnittmengen gibt, aber dann doch auch
00:20:46: Differenzen, zum Beispiel bei Positionen zum Thema Ukrainekrieg. Die Idee der Stützmauer,
00:20:52: die finde ich auch sehr interessant, also dass man sich weniger darauf konzentriert zu sagen,
00:20:56: wie schlimm alles wird, wenn Rechtspopulisten an der Macht wären, so mal wenn man in Österreich
00:21:00: sieht, dass es teilweise dann eben doch eher geräuschlos von Statt und geht, stattdessen
00:21:04: sich lieber darauf zu konzentrieren, wie man eine liberale Demokratie absichert. Martin,
00:21:08: was waren für dich die entscheidenden Stellen? Ich fand aber ganz, ganz viel in diesem sehr,
00:21:12: sehr tollen Gespräch. Ich konnte viel anfangen mit dem Begriff der Gegenöffentlichkeit. Die
00:21:17: Rechte, die Rechtspopulisten haben sich eine Gegenöffentlichkeit geschaffen, die man eben
00:21:22: nicht sich selber überlassen darf, sondern der man begegnen muss. Und da hat vor allem ein
00:21:26: Klänk so Wert gelegt auf Sachlichkeit, auf Ernsthaftigkeit, auf Wissen, auf Fakten in dieser
00:21:31: Auseinandersetzung und eben nicht von oben herab oder mit Arroganz diesen Menschen zu begegnen,
00:21:37: das war das eine. Das zweite war, wie sehr die Rechtspopulisten eine Sicherung nach der anderen
00:21:43: rausdrehen und dass man das manchmal gar nicht so richtig mitbekommt, sondern dass man da sehr
00:21:47: wachsam bleiben muss. Das fand ich sehr eindrücklich und ja zum Schluss dann, also ganz konkrete Dinge,
00:21:54: Polizeipolitik, Bodenpolitik, diese ganzen Dinge, die in Anfroschinen die Linke, also jetzt nicht
00:21:59: die Parteidelinke, sondern Linke, Parteien generell, Linkebewegungen, so ein bisschen allen
00:22:04: anderen überlassen haben und das haben sich die Rechtspopulisten eins nach dem anderen angeeignet
00:22:09: und das muss man, glaube ich, wenn man dem Rechtspopulismus den Boden wieder entziehen
00:22:13: möchte, muss man diesen Boden eben neu besetzen. Das fand ich alles sehr konziesen und sehr, sehr
00:22:18: einungsvoll. Die nächste Folge von "Proton TV" kommt in zwei Wochen. Übrigens, wenn Sie sich ein
00:22:27: bestimmtes Thema von uns wünschen, dann schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an ip@dgap.org. Vielen Dank.
00:22:34: Neben diesem Podcast, der so ein bisschen ein außenpolitisches Update ist, wollen wir gerne
00:22:39: auch noch mal auf unsere Zeitschaft hinweisen auf die internationale Politik. Diese IP ist
00:22:44: natürlich auch komplett online zu finden und das ist jetzt mit einer besonderen,
00:22:48: mit einer besonders wichtigen Ausgabe kurz nach der Bundestagswahl noch bis einspießig
00:22:52: Sonntagzeiten da ausnahmsweise kostenlos, also nichts wie los. Danke fürs Zuhören. Bis zum
00:22:58: nächsten Mal, wenn Sie mögen. Ich bin Katharina Peetz. Und ich bin Martin Bielecki. Danke auch
00:23:02: von mir und machen dies gut.
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