Frieden für die Ukraine: Trumps Pläne, Europas Probleme (mit Carlo Masala)
Shownotes
Am 24. Februar jährt sich die russische Vollinvasion der Ukraine zum dritten Mal. US-Präsident Donald Trump scheint fest entschlossen, dem Krieg ein Ende zu setzen, auch wenn er sein 24-Stunden-Versprechen nicht einhalten konnte. Doch wie realistisch sind Trumps Friedenspläne für die Ukraine? Welche Rolle könnte den Europäern dabei zukommen? Und was muss eine neue Bundesregierung in Sachen Zeitenwende nachholen, um Politik und Gesellschaft resilienter zu machen?
Über diese und andere Fragen sprechen Katharina Peetz und Martin Bialecki in der neuen Folge von „Pod und die Welt“ mit Carlo Masala, Militärexperte und Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München.
Disclaimer: Diese Episode wurde am 11. Februar und damit vor dem Telefongespräch zwischen US-Präsident Donald Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sowie dem Gipfel der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel aufgezeichnet.
Gast: Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München (@CarloMasala1)
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Transkript anzeigen
00:00:00: Eine europäische Truppe, die keine Sicherheitsgarantien der Amerikaner bekommt.
00:00:05: Also wenn ich Putin wäre, würde ich klatschen.
00:00:07: Eine rein europäische Truppe aus russischer Sicht hat keine Abschreckungswirkung.
00:00:13: Die ersten 24 Stunden seit Trumps Amtsantritt sind schon etwas länger rum.
00:00:18: Der Ukraine-Krieg dauert entgegen Trumps Ankündigungen trotzdem noch an,
00:00:21: aber der US-Präsident scheint tatsächlich sehr entschlossen, den Krieg in der Ukraine möglichst schnell zu beenden.
00:00:27: Wie genau das aussehen könnte, darum geht es in der heutigen Folge von POT und die Welt, dem außenpolitischen Update.
00:00:33: Ich bin Martin Biragin und ich bin Katharina Peetz.
00:00:36: US-Präsident Trump folgt im Prinzip "Flat the Zone", ein Dekret nach dem anderen,
00:00:42: eine Hauruck-Ankündigung nach der nächsten ist dieser Tage aus dem Weißen Haus zu hören.
00:00:46: Da ist die Übernahme des Gasa-Streifens durch die USA, das Aussetzen der US-Entwicklungshilfe
00:00:51: oder auch die Besitzansprüche auf Kanada, den Panama-Kanal oder auch Grünland.
00:00:55: Donald Trump will schnell Ergebnisse vorlegen, das ist Teil seiner Strategie und seine Anhänger warten auch drauf.
00:01:00: Trumps Außenpolitik wird oft vor allem von innenpolitischen Motiven gesteuert
00:01:04: und das gilt auch für seine Positionen zur Russlandsangriffskrieg in der Ukraine.
00:01:09: Jetzt also soll bei der anstehenden Münchersicherheitskonferenz ein US-Plan für Frieden in der Ukraine skizziert werden.
00:01:15: Auch der ukrainische Präsident Zelenski wird vor Ort sein.
00:01:18: Wie so ein Plan aussehen könnte, wo die Ukraine drei Jahre nach dem Beginn der russischen Vollinvasion steht
00:01:23: und wie eine neue deutsche Bundesregierung sich in Sachen Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Europa positionieren sollte,
00:01:29: das können wir mit unserem Gast besprechen.
00:01:31: Er ist einer der renommiertesten Militärexperten Deutschlands und Professor für internationale Politik an der Bundeswehruniversität München.
00:01:37: Herzlich Willkommen, Carlo Masala.
00:01:39: Vielen herzlichen Dank für die Einladung, Herr Bieleck im Fropiz.
00:01:42: Auf einen Friedensplan für die Ukraine.
00:01:48: Auf dem liegen ja viele Hoffnungen.
00:01:50: Wir haben gerade die Münchner Sicherheitskonferenz erwähnt.
00:01:53: Gehen Sie davon aus, dass tatsächlich ein großer Durchbruch dazu erwarten ist?
00:01:57: Nein, ich gehe nicht davon aus, dass ein großer Durchbruch dazu erwarten ist.
00:02:01: Nach dem, was ich höre, wird es auch keinen Friedensplan geben, der dort präsentiert werden wird.
00:02:07: Aber es wird natürlich nicht die erste, aber sozusagen eine Gelegenheit sein,
00:02:11: in der man seitens der Europäer mit dem Sondergesandten für die Ukraine und Russland Kellogg
00:02:16: und gleichzeitig auch möglicherweise mit dem amerikanischen Vizepräsident Vance
00:02:20: reden kann über die Frage, was sich diese Trump-Administration eigentlich vorstellt
00:02:24: und vielleicht danach ein klareres Bild hat,
00:02:28: über das, was die Trump-Administration eigentlich in den nächsten Monaten unternehmen will,
00:02:33: um, wie Trump es selber sagt, diesen Krieg zu beenden.
00:02:36: Wie wahrscheinlich ist es denn, wenn man auf das Ende dieses Prozesses irgendwann schaut?
00:02:40: Klar, da gibt es jetzt sehr viele hin und her und rauf und runter.
00:02:43: Niemand weiß es so ganz genau, aber wenn man sich den Prozess mal so vorstellt,
00:02:46: dass am Ende dieses Prozesses doch so was wie ein Diktatfrieden steht, für wie wahrscheinlich halten Sie das?
00:02:52: Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, aber ich halte das jetzt nicht für unabdingbar.
00:02:56: Ich glaube, was im engeren Umfeld von Trump sehr deutlich gesehen wird,
00:03:01: ist, dass wenn man jetzt irgendetwas verhandelt, was am Schluss bedeuten wird,
00:03:05: dass Russland all das bekommt, was es will, dass Trump dann als ein schwacher Präsident da steht.
00:03:10: Das ist keine starke Verhandlung.
00:03:12: Trump von seiner Psyche her, so wie ich das lese, will nie als jemand dastehen, der schwach ist,
00:03:17: aber gleichzeitig sein Umfeld will nicht das Signal aussenden, vor allen Dingen an China,
00:03:22: dass man es außenpolitisch mit einem schwachen Präsidenten zu tun hat,
00:03:25: der vor autoritären Staaten, die einfach Säbeln rasseln, einknickt.
00:03:30: Und deswegen glaube ich nicht, dass am Ende ein Diktatfrieden stehen wird.
00:03:34: Gibt es denn, wenn wir auf die Perspektive der Ukraine schauen, oder gibt es sicherlich rote Linien,
00:03:40: aber kann sie sich leisten, daran auch festzuhalten?
00:03:43: Also es gibt sicherlich ein paar rote Linien und eine der roten Linien wäre,
00:03:47: dass Russland all das Gebiet, was es jetzt besetzt, auch wirklich zugeschlagen bekommt.
00:03:53: Ich glaube, das ist eine rote Linie.
00:03:55: Ich glaube, in Verhandlungen am Ende müsste Russland auch einiges an Territorium zurückgeben
00:04:00: oder zumindest seine Truppen aus diesem Territorium zurückziehen.
00:04:04: Das glaube ich nicht, dass das gilt für den Donbass, ich glaube nicht, dass das gilt für die Krim.
00:04:08: Aber wir haben ja zum Beispiel einen Oblast-Zapolischer noch immer,
00:04:11: der ja nur zur Hälfte von den Russen kontrolliert wird,
00:04:14: dass man da eine Lösung findet, dass russische Truppen dort nicht mehr vorhanden sind
00:04:18: und aber eine Verwaltung irgendwie von beiden eingerichtet wird, also von beiden Seiten,
00:04:23: oder dass Russland das verwalten darf, aber die Ukraine muss irgendwas bekommen.
00:04:27: Sie kann nicht dastehen, am Ende des Tages, auch aus innenpolitischen Gründen vor allen Dingen nicht.
00:04:32: Nach drei Jahren Krieg mit so vielen Toten, mit so vielen Schweresverwundeten,
00:04:35: dass am Ende des Tages letzten Endes Russland all das bekommt, was es gegenwärtig besitzt
00:04:40: und noch viel mehr im Sinne von keine Sicherheitsgarantien für die Ukraine,
00:04:44: eine EU-Mitgliedschaft, die in weiter Ferne liegt,
00:04:47: möglicherweise ein nur schwaches Militär für die Zukunft,
00:04:50: all diese Dinge, die ja durchaus im russischen Interesse sind,
00:04:53: das kann sich die Ukraine nicht leisten innenpolitisch.
00:04:57: Vielleicht bleiben wir noch einen Moment bei Russland beim Kreml.
00:05:03: Es läuft ja im Moment ganz gut militärisch,
00:05:06: andererseits belasten die Sanktionen, die russische Wirtschaft sehr.
00:05:10: Wie lesen Sie das? Wie geneigt ist Putin, den Krieg in der Ukraine überhaupt zu beenden?
00:05:14: Ich glaube, es gibt momentan wenig Neigung seitens Russlands diesen Krieg zu beenden.
00:05:19: Wenn man sich genau durchliest, was Putin so in den letzten Wochen,
00:05:22: also seit Trumps Amtsantritt, verlauten lassen hat,
00:05:25: ist ja, dass er sehr gerne bereit ist, mit Trump zu reden,
00:05:28: aber irgendwie später bei die Ukraine ja nie eine Rolle,
00:05:30: sondern er will über europäische Sicherheitsstrukturen reden,
00:05:33: er will über globale Fragen reden,
00:05:35: aber er thematisiert nirgendwo, dass er eigentlich über die Ukraine eigentlich auch reden sollte.
00:05:39: Das erwähnt er gar nicht.
00:05:40: Ich glaube, Russland ist nicht besonders geneigt, momentan diesen Krieg zu beenden.
00:05:44: Russland wird, bis es möglicherweise zu irgendwelchen Verhandlungen kommt,
00:05:48: halt versuchen, mehr und mehr Territorium zu erobern,
00:05:51: vor allen Dingen im Donbass.
00:05:52: Russland wird versuchen, Kurs zurückzuerobern,
00:05:54: weil Kursk ist natürlich in diesem ganzen Ding für die Ukraine ein territoriales Faustwand.
00:05:59: Also wenn sie Kursk halten, können sie halt sozusagen Kursk anbieten,
00:06:02: im Tausch gegen ein anderes Territorium in der Ukraine,
00:06:05: dass die Russen räumen müssen.
00:06:07: Und das will Putin nicht zulassen wollen, also wird er hier auch nochmal versuchen, Kurs zurückzuerobern.
00:06:11: Was den ökonomischen Druck anbelangt, ich bin kein Ökonom,
00:06:15: aber es gibt eine Sache, ich glaube, da muss man sehr vorsichtig sein,
00:06:18: ja, also ich folge den meisten Ökonomen, die ich lese in ihrer Analyse,
00:06:22: dass die Sanktionen anfangen zu wirken.
00:06:24: Allerdings hat uns Russland in den letzten drei Jahren immer wieder damit überrascht,
00:06:27: dass es Wege gefunden hat, diese Auswirkungen der Sanktionen dann abzumildern.
00:06:31: Und da bin ich ganz einfach sehr zurückhaltend zu sagen, die sind jetzt auf dem Weg,
00:06:35: wo wenn man jetzt noch ein paar Schrauben dreht, sie auf jeden Fall aus ökonomischen Gründen,
00:06:39: diesen Krieg nicht mehr weiterführen können oder nicht mehr weiterführen wollen.
00:06:42: Da bin ich sehr zurückhaltend und vorsichtig, weil die letzten drei Jahren haben mir gezeigt,
00:06:45: ganz oft haben sie Wege gefunden, den Druck dieser ökonomischen Sanktionen dann doch irgendwie abzumildern,
00:06:50: um ihre Kriegsmaschinerie am Laufen zu halten, aber gleichzeitig auch die Volkswirtschaft nicht komplett abschmieren zu lassen.
00:06:55: Wenn wir beim Stichwirt Ökonomie sind und die Frage von Territorien,
00:07:02: jetzt kam ja in den letzten Wochen nochmal diese Idee auf, die hat Dyselensky schon in seinem sogenannten Siegelsplan vorgestellt,
00:07:08: dass die USA im Gegenzug für militärische Unterstützung von der Ukraine Rohstoffe und seltene Erden bekommen könnte.
00:07:15: Jetzt ist es so, dass ein Großteil dieser Rohstoffe in russisch besetzten Gebieten liegt,
00:07:20: könnte das auch einen Einfluss haben auf, wie auch immer man sich dann einigen könnte?
00:07:24: Ja, das wird ja interessant. Ich meine, Trump hat dieses Angebot angenommen,
00:07:28: der heute irgendwie verkündet, dass so der Deal ist, dass 500 Milliarden Dollar jetzt in Endes zurückgezahlt werden müssen,
00:07:34: seitens der Ukraine, das bezieht sich ja auf diese Rohstoffe.
00:07:37: Wenn die halt zu, wenn ich das richtig sehe, zu 80 Prozent dort liegen, wo Russland gerade Territorien besetzt hält,
00:07:43: dann wird es möglicherweise darum gehen, die Russen auch von dort wegzubekommen,
00:07:47: damit überhaupt diese Rohstoffe seitens der Ukraine gehoben werden können
00:07:51: und den USA verkauft werden können bzw. den USA geschenkt werden können.
00:07:55: Auch wenn jetzt in München auf der Sicherheitskonferenz kein Friedensplan seitens der Amerikaner vorgestellt werden wird,
00:08:05: gibt es ein paar Eckpunkte, ein paar Duftmarken, die schon bekannt gebaut sind vorher,
00:08:10: der Ukraine Sonderbeauftragte Kiew Kerlok hat gesagt, die Europäer müssten das ganz alleine schultern, was dann nachkommt.
00:08:17: Wenn das tatsächlich so sein sollte, dass die Europäer maßgeblich für Sicherheitsgarantien
00:08:21: oder welchen Schutz auch immer der Ukraine zuständig sein sollten,
00:08:25: können sie das überhaupt? Ist Europa oder wie ist Europa darauf vorbereitet?
00:08:29: Also das ist ja die große Frage, wo es ja auch unglaublich viele Illusionen in Europa gibt über das, was man da leisten kann.
00:08:36: Zunächst einmal muss man ja sagen, wir haben es mit einer, ich glaube, 1.400 Kilometer langen Front zu tun,
00:08:41: sondern wird es einem Waffenstillstand geben möglicherweise.
00:08:44: Dann ist die Frage, gibt es demilitarisierte Zonen, was soll eine Truppe da machen?
00:08:48: Also sei es eine rein europäische, sei es eine internationale, also wo zum Beispiel auch die Ideen gibt es ja auch,
00:08:53: Inder und Chinesen dran beteiligt sind und so weiter, soll die nur um Verstöße melden
00:08:57: oder soll die eine abschreckende Wirkung entfalten.
00:09:00: Und dann gibt es weiterführende, feingranuliertere Überlegungen, die sagen,
00:09:03: naja, so eine internationale Truppe könnte monitoring, da werden dann in Inder dabei, Chinesen dabei,
00:09:08: Bangladesches, Pakistanis, also die, die in der Regel immer viel bei UNP Skipping Truppen Beteiligung stellen.
00:09:14: Und dahinter gibt es eine europäische Truppe, die soll abschreckend wirken.
00:09:18: So, jetzt muss man aber mal ganz klar sehen, wir reden immer 1.300 Kilometer langen Front
00:09:22: und das stellt sich schon mal allein die Frage, wie viel Europäer sollen sie denn da überhaupt hin?
00:09:26: Also diese Zahl, die man oftmals findet von 40.000, 50.000, die halte ich für unrealistisch,
00:09:32: bei 1.300 Kilometer langer Front. Ich halte es für realistisch, dass man da mehr hinschicken muss.
00:09:36: Und jetzt wissen wir ja, oder die Zuhörerinnen, die sich mit militärischen Fragen beschäftigen,
00:09:41: wissen, wenn wir über 40.000 oder mehr reden, da müssen wir diese Zahl immer mal dreinnehmen.
00:09:45: Da fehlt mir schon mal die Fantasie, woher die eigentlich kommen sollen.
00:09:48: Dann müssen die ja auch, wenn die abschreckend wirken sollen, entsprechend ausgerüstet sein.
00:09:53: Also das heißt, ich schicke da ja nicht nur Soldaten und Soldatinnen, ich sag mal mit gepanzerten Fahrzeugen
00:09:58: und Maschinengewehren hin, sondern ich muss der Panzer hinschicken, ich muss Luftverteidigung hinschicken
00:10:03: und noch vieles mehr. Wo soll das Gerät eigentlich herkommen?
00:10:06: So, und selbst wenn man sich darauf einlässt, dann stellt sich doch wiederum die Frage,
00:10:10: was bedeutet das eigentlich für die Hauptaufgabe europäischer Streitkräfte gerade, nämlich die Abschreckung
00:10:15: an der Ostflanke der NATO? Die muss dann ausgedöhnt werden.
00:10:18: Also im Prinzip würden wir abschreckend wirken in der Ukraine und gleichzeitig schaffen wir eine neue Gelegenheit irgendwo im Baltikum,
00:10:25: weil wir die NATO Regional Plans gar nicht befüllen können, so wie wir sie befüllen müssten,
00:10:30: weil da hat ein großer Teil der Leute und des Materials auch noch in der Ukraine steht.
00:10:34: Jetzt kann man das Ganze weiterspinnen und das ist natürlich aus einer deutschen Perspektive das Interessante.
00:10:38: Aber woher sollte so ein Mandat kommen, dass der Deutsche Bundestag dann auch beschließt,
00:10:42: dass deutsche Soldaten und Soldatinnen in die Ukraine entsamt werden?
00:10:45: Und da gibt es so ein paar Möglichkeiten. Ein UN-Sicherheitsmandat würde bedeuten,
00:10:50: Russland und China müssen dem zustimmen. Das wird dann aber kein hartes abschreckendes Mandat.
00:10:55: Also Russland wird definitiv, glaube ich, sich nicht darauf einlassen, diese Europäischen Truppe ein Mandat zu geben,
00:11:01: dass es dieser Europäischen Truppe erlaubt, im Notfalle gegen russische Verbände vorzugehen,
00:11:06: und zwar sehr robust, kann ich mir nicht vorstellen.
00:11:08: OSZE ist genau das Gleiche. Die Russen sind da drin und die Ukraine haben keine guten Erfahrungen gemacht mit den
00:11:14: Beobachtermissionen der OSZE in der Vergangenheit.
00:11:17: So, dann kann sich die NATO selbst mandatieren. Das ist im Konzept von Washington 1999 so vorgesehen
00:11:23: unter sehr, sehr komplizierten Bedingungen. Aber Russland wird nie im Leben eine europäische Truppe,
00:11:29: die ein NATO-Mandat hat, in der Ukraine akzeptieren.
00:11:31: Dann bleibt noch der klassische Artikel 42/7 der Europäischen Union, der, glaube ich,
00:11:37: ein einziges Mal ausgelöst worden ist mit Blick auf Mali.
00:11:40: Sehe ich nicht, dass das passiert, weil der sieht ja einen territorialen Angriff letztendlich auf
00:11:45: Mitgliedstaat der Europäischen Union vor.
00:11:47: So, und dann die klassische Einladung der Ukraine an andere Staaten dort Kräfte zu stationieren.
00:11:52: Das wäre auch noch eine Möglichkeit, aber eine extrem schwache, bei der ich nicht sehe,
00:11:55: dass der Deutsche Bundestag und die deutsche Bundesregierung da so super happy sind,
00:11:59: das als Mandatsgrundlage zu nehmen.
00:12:01: Und wenn sie mir jetzt noch erlauben, gehe ich noch einen Schritt weiter.
00:12:03: Eine europäische Truppe, die keine Sicherheitsgarantien der Amerikaner bekommt.
00:12:08: Also wo die Amerikaner zwar vielleicht nicht mit Boots on the Ground in der Ukraine vertreten sind,
00:12:12: aber sagen, wenn diese europäische Truppe getestet wird, dann werden amerikanische Soldaten,
00:12:18: die irgendwo anders in Europa sind, definitiv da reingehen und mithelfen, die zu verteidigen.
00:12:22: Und es gibt so eine Art nukleares Schutzgarantie für diese Truppe vor Ort.
00:12:25: Also wenn ich Putin wäre, würde ich klatschen.
00:12:27: Eine rein europäische Truppe aus russischer Sicht hat keine Abschreckungswirkung.
00:12:32: Also in diesem ganzen Zusammenhang gibt es so viele Fragen, die es zu klären gilt,
00:12:37: aber die alle nicht im Prinzip darauf hinauslaufen zu sagen,
00:12:41: ja, eine europäische Truppe wird da irgendwann mal stehen
00:12:44: und sie wird auch eine wirklich abschreckende Wirkung auf russische Truppen haben können.
00:12:48: Ich bin da extrem skeptisch.
00:12:50: Ich sehe auch, gleichzeitig muss ich ganz ehrlich sagen,
00:12:52: ich sehe auch keinen Appetit bei den großen europäischen Staaten,
00:12:54: die dann definitiv dabei sein müssten, da in die Ukraine reinzugehen.
00:12:58: Also weder bei den Polen, noch bei den Deutschen, noch bei den Italienern,
00:13:01: bei den Franzosen eigentlich auch nicht.
00:13:03: Also Macron redet immer viel, aber letzten Endes tut er ja wenig.
00:13:06: Also bei diesen großen europäischen Staaten auch keinerlei Appetit
00:13:10: mit so einer Truppe in die Ukraine reinzumarschieren
00:13:12: und dort abschreckend auf die Russen zu wirken.
00:13:14: Das heißt aber, wenn wir vielleicht noch kurz bei dem Thema
00:13:17: europäische Verteidigungs- und Sicherheitspolitik bleiben,
00:13:20: können da überhaupt maßgebliche Schritte in den nächsten Jahren noch gegangen werden,
00:13:24: dass man da sich gemeinschaftlich stärker aufstellt?
00:13:27: Der politische Wille ist da, ja, das muss man sagen.
00:13:30: Aber das Problem bei Europa ist immer, da ist oftmals der politische Wille da
00:13:34: und da ist die notwendigen Schritte unternommen, um das, ich sage jetzt mal,
00:13:37: materiell zu unterfüttern.
00:13:39: Und momentan sehe ich ja, dass Trump insofern auf Europa wirkt,
00:13:43: als dass ich so eine Bilateralisierung eher der Sicherheitspolitik befürchte.
00:13:47: Es wird die Staaten geben, die unter allen Umständen
00:13:50: bereits extrem viel zu tun, um diesen amerikanischen Schutz
00:13:53: weiterhin zu behalten.
00:13:55: Das sind Staaten in Mittele und aus Europa, das sind die baltischen Staaten.
00:13:58: Während andere Staaten da ihre Grenzen haben
00:14:01: und eher die Parole, ich glaube, das ist ja jetzt im Wahlkampf die grüne Antwort,
00:14:05: America First has Europe united, also da eher sozusagen im Rahmen
00:14:09: der Europäischen Union vorangehen wollen.
00:14:11: Europa zweiteilt sich so ein bisschen gerade in dieser Frage
00:14:14: und das Schwächteuropa, das muss man ganz einfach sagen, das Schwächteuropa.
00:14:17: Aber man muss ja auch ganz realistisch sagen, selbst die Staaten,
00:14:21: die eigentlich mehr tun wollen im Rahmen der Europäischen Union,
00:14:25: haben auch keine gute Idee, wie sie es machen können.
00:14:28: Also vor allem bei der Frage, woher das Geld kommt,
00:14:30: die Frage gemeinsame europäische Verschuldung ist umstritten.
00:14:33: Deutschland ist dagegen, Italiener sind dafür, um Nummer 2 Staaten zu nehmen.
00:14:38: So, diese Verschuldung ist umstritten.
00:14:40: Ebenfalls ist umstritten die Frage, naja, wenn Europäer jetzt mehr beschaffen müssen,
00:14:45: weil wir auf diesen amerikanischen Schutz nicht mehr so vertrauen können
00:14:48: und möglicherweise es in den nächsten Jahren ein Rückzug amerikanischer Streitkräfte
00:14:52: und Material aus Europa geben wird, dann ist man wiederum nicht einig über die Frage,
00:14:57: naja, muss man jetzt die europäische Rüstungspolitik fördern?
00:15:00: Oder macht man so eine Mischung aus europäisch und oftischelf amerikanisch?
00:15:05: Franzosen sind ganz klar auf europäisch konzentriert, andere sind da eher pragmatischer.
00:15:10: Also auch da gibt es keine Einigkeit.
00:15:12: Und ich glaube, der große Punkt, der mich da umtreibt, ist, wenn dieses Europe United
00:15:16: seitens den Vereinigten Staaten als sozusagen die konfrontative Antwort gesehen wird gegen die USA,
00:15:22: die den amerikanischen Abzug aus Europa eher noch beschleunigt,
00:15:26: dann reden wir nicht mehr über 3% oder 3,5% der Verteidigungsausgaben.
00:15:30: Dann fangen wir an, über 5 oder mehr zu reden.
00:15:33: Und dann fangen wir aber an, über einen Zeitraum von 10 Jahren zu reden,
00:15:36: bis wir im Prinzip die Fähigkeiten, die die Vereinigten Staaten uns dann nicht mehr zur Verfügung stellen würden,
00:15:40: bis wir die eigentlich alle haben.
00:15:42: Das bedeutet zum einen, 10 Jahre weniger sicher zu können,
00:15:46: sein und angesichts eines russischen Neo-Impräalismus, bei dem ja viele davon ausgehen, dass die
00:15:51: Ukraine nicht der letzte Schritt ist, ist das eine brandgefährliche Situation und das zweite
00:15:55: ganz ehrlich, mir fehlt auch die Fantasie, irgendeinen europäischen Staatsmann oder eine Staatsfrau
00:16:01: zu sehen, die ihrer Bevölkerung 5, 6, 7% Verteidigungsausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt
00:16:08: zumuten wird, weil das bedeutet, man muss in anderen Bereichen kürzen. Das enthält einen
00:16:13: enormen sozialen Sprengstoff, den keiner glaube ich bereit ist, einzugehen. Also halte ich das
00:16:16: für ein Fehler, zu stark auf Europe United zu setzen, im Prinzip als Gegenpol zu den Vereinigten Staaten.
00:16:23: Sie haben den Wahlkampf erbehandt, der kocht richtig hoch gerade. Dieses Thema Ukraine ist ja eines
00:16:32: der vielen außenpolitischen Themen, die den Wahlkampf relativ ungewöhnlich für einen deutschen
00:16:37: Wahlkampf prägen. Parteien werben für sich mit dem Versprechen, diesen Krieg in der Ukraine bald
00:16:43: zu beenden. Und nun wählen wir am 23. Februar den Bundestag. Ausgang ungewiss vor allem, welche
00:16:48: Koalition eigentlich danach am Roder sein wird. Was würden Sie denn einer neuen Bundesregierung
00:16:53: empfehlen mit Blick auf die Ukrainepolitik und was waren vielleicht in dem Zusammenhang auch
00:16:58: die größten Versäumnisse bisher, die man jetzt ausräumen könnte? Also ich glaube die größte
00:17:03: Empfehlung und damit thematisiere ich auch das größte Versäumnis, ist, dass wir nie eine Strategie
00:17:08: hatten. Also wir haben für uns als Bundesrepublik Deutschland nie formuliert, was ist eigentlich
00:17:13: das strategische Ziel unserer Ukraine-Unterstützung? Die Ukraine darf nicht verlieren und Russland
00:17:18: darf nicht gewinnen, ist ja keine Strategie. Und wenn man eine Strategie hat, dann reichert man die
00:17:23: mit den notwendigen Mitteln an, um das strategische Ziel zu erreichen. Also ich glaube zuvor das
00:17:28: würde ich eine neuen Bundesregierung ins Lastenheft schreiben, eine klare Strategie, was man eigentlich
00:17:34: in der Ukraine erreichen will. Der zweite Punkt muss sein, dass eine Bereitschaft, wir sehen ja
00:17:39: jetzt gerade sozusagen auch bei der Trump-Administration eine interessante Wolke, die ja durchaus bereit ist,
00:17:43: die Ukraine weiterhin militärisch zu unterstützen, die aber dafür kein Geld ausgeben will. Also
00:17:47: sagt Trump den Europäern, ihr kauft jetzt entweder das, was wir auf Lager haben oder sozusagen ihr
00:17:52: kauft amerikanisch, was dann bei der Rüstungsindustrie produziert wird und das schicken wir dann in
00:17:56: die Ukraine. Also letzten Endes geht es darum, es muss in einer neuen Bundesregierung, das kann
00:18:01: natürlich nur europäisch erfolgen, aber wenn Deutschland sich dafür entscheidet, hat das
00:18:04: natürlich Gewicht. Es muss die Bereitschaft sein, das, was die Amerikaner nicht mehr an Geld
00:18:09: aufwenden für Waffenlieferung, das zu kompensieren. Und da bin ich sehr pragmatisch, ob diese Waffen
00:18:15: jetzt aus den Beständen der US Army kommen oder der Air Force und wir die bezahlen oder nicht ist
00:18:19: mir egal. Aber die Bereitschaft muss da sein, diese Lücke, die die Amerikaner hinterlassen
00:18:23: werden zu kompensieren. Das ist der zweite Punkt mit Blick. Also wir müssen letzten Endes, würde ich
00:18:28: sagen, der Ukraine weiterhin dabei helfen, die Front zu stabilisieren, weiterhin dabei helfen,
00:18:33: in mögliche Verhandlungen in einer möglichst starken Position reinzugehen und nicht als der
00:18:37: Schwache, der gerade dabei ist, überrollt zu werden. Das glaube ich sind die wichtigen Sachen mit Blick
00:18:41: auf die Ukraine. Ich würde mir dennoch erlauben, Herr Bielecki angesetzt ihres Kommentars, ich finde
00:18:45: diesen Wahlkampf erschreckend provinziell. Also ja, wir hatten jetzt, wir sprechen ja am Dienstag und am
00:18:51: Sonntag war die erste Kanzlerdebatte und das spielte Außenpolitik an Thema, anders als 2021 im
00:18:58: Bundestagswahlkampf. Aber wenn man sich die Reden von Friedrich Merz oder Olaf Scholz oder auch
00:19:03: Christian Lindner oder Robert Habeck, das ist ja egal, wie sie jetzt alle heißen anhört, das spielt
00:19:07: eigentlich diese ganze tektonische Verschiebung, der wir gerade im internationalen Umfeld ausgesetzt
00:19:12: sind, eine marginale Rolle. Ich glaube, Merz ist der einzige, der eine außenpolitische Grundsatzrede
00:19:17: gehalten hat bei der Körberstiftung. Aber es ist dann halt auch nur eine Rede und ich finde, wer sind
00:19:22: solche Herausforderungen ausgesetzt in den nächsten Jahren mit Blick auf ein aggressiver
00:19:26: werdendes China, mit Blick auf sozusagen ein neorimperiales Russland, mit Blick auf einen
00:19:30: amerikanischen Präsidenten, von dem wir nicht wissen, ob er am Ende dieser vier Jahre erfolgreich
00:19:36: sämtliche Pfeiler der liberalen Weltordnung auch noch selber abgehackt hat. Und dafür reden wir
00:19:42: hier in Deutschland über Krankenversicherung, Rente und die Frage sozusagen irgendwie Körperschaftssteuer,
00:19:48: etc. Pp. Ich sage immer so, als ob wir 1987 oder 2013 hätten, wo das die Drängens und Probleme sind,
00:19:55: die sich der deutschen Gesellschaft und dem deutschen Staat stellen.
00:19:58: Ich frage mich so ein bisschen, ist es auch was, wissen wir ja, dass im Wahlkampf eben die Themen
00:20:02: bespielt werden, wo man irgendwie auch die Hoffnung hat, dass man da eben Stimmen mitbekommt. Also
00:20:07: zeigt es vielleicht auch, dass eben diese vielzitierte Zeitenwende in der Bevölkerung eigentlich
00:20:12: nicht so angekommen ist?
00:20:13: Ich würde hier weitergehen. Ich würde sagen, wir haben es ja auch nicht in der Politik richtig
00:20:16: gehabt. Meines Erachtens hat die richtige Zeitenwende ja noch gar nicht stattgefunden. Was wir hatten
00:20:21: war Geld für die Bundeswehr, völlig richtig, eine Bekenntnis zu dieser Natoquote und seitdem
00:20:26: sozusagen diskutieren wir, schafft die Bundeswehr das richtige Gerät an oder nicht und wie steht
00:20:30: es um die Personalprobleme der Bundeswehr? Alles richtig, alles gut. Aber Zeitenwende würde
00:20:34: ja bedeuten aus meiner Perspektive, wir müssen uns mal fragen, ob die Art und Weise, wie wir
00:20:39: aus der Sicherheit zum Verteidigungspolitik in den letzten Jahrzehnten betrieben haben,
00:20:42: und zwar nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell. Ob das eigentlich eine umfassende
00:20:46: Überprüfung bedarf? Da sind wir ja nicht besonders weit gekommen. Wir sind ja nur nicht
00:20:49: mal in der Russlandpolitik weit gekommen. Also wir sind zwar weg vom russischen Gas, aber
00:20:54: der Druck innerhalb der SPD und teilweise auch bei der CDU, doch wieder zum russischen
00:20:58: Gas zurückzukehren, ist ja doch nicht unerheblich, muss man ja auch mal sagen.
00:21:02: Zeitenwende würde bedeuten, wir müssen eine resiliente Gesellschaft herstellen. Und zwar
00:21:06: aus Zweierlei Gründen glaube ich, das eine ist, wir reden viel über die Bundeswehr und
00:21:09: wir reden viel über einen möglichen Bündnisverteidigungsfall. Aber wenn die deutsche Gesellschaft
00:21:14: nicht bereit ist, die Kosten, die ein solcher Bündnisverteidigungsfall nach sich ziehen
00:21:18: würde, und da rede ich nicht nur von den humanen Kosten, also gefallene, schweres Verwundete,
00:21:24: sondern es wird politische Kosten haben, das wird ökonomische Kosten haben. Wenn die
00:21:27: Gesellschaft nicht bereit ist, die zu tragen, wird die Bundeswehr ihren Auftrag auch nicht
00:21:30: erfüllen können. Weil die kann ja jetzt nur erfüllen, wenn die Gesellschaft mehrheitlich
00:21:33: hinter hier steht. Und resilient zu sein heißt auch, das wissen wir alle, wir sind seit fast
00:21:39: einer Dekade, aber jetzt natürlich intensiviert, einer hybriden Kriegsführung ausgesetzt,
00:21:44: die am Ende des Tages ja das Vertrauen großer Teile der deutschen Bevölkerung in die Funktionsfähigkeit
00:21:49: dieses demokratischen Verfassungsstaates unterminieren soll. Und ich überspitze es jetzt mal, da sind
00:21:53: die Russen nicht so unerfolgreich gewesen. Also ich habe drei ausdurcher Landtagswahlen,
00:21:58: wo pro Putin Parteien über 50% erreichen. Jetzt sitzen wir hier vor der Bundestagswahl,
00:22:02: wissen nicht, wie die ausgeht. Aber wenn ich jetzt nur mal die Umfragen nehme, dann zeigen
00:22:07: alle, egal welche Meinungsforschungsinstitute, dass so an die 25% der deutschen Proputin-Parteien
00:22:13: wählen in der nächsten Bundestagswahl. Momentan sieht es so aus, ob eine davon nicht reinkommt,
00:22:17: aber es sind trotzdem 25% der Stimmen. Und da zeigt es sozusagen, wir sind nicht resilient
00:22:21: in dieser Gesellschaft. Und die Politik hat sich zu wenig darum gekümmert, die Gesellschaft
00:22:25: resilient zu machen, das Bewusstsein zu wecken, dass wir hier in einer, naja, der Präsident
00:22:31: des BND ist, hat mal gesagt, hybride Kriegsführung hält dafür einen Quatschbegriff, weil wir
00:22:34: sind schon längst im Krieg. Das würde ich nicht so weit gehen, aber das sozusagen, wir
00:22:38: ja nicht nur im Äußeren einer Bedrohung ausgesetzt sind, sondern sehr massiv im Inneren.
00:22:42: Wir fragen uns ja in diesem Podcast immer auch, was denn Außenpolitik, Sicherheitspolitik
00:22:51: eigentlich mit unser aller Leben zu tun hat. Das ist, glaube ich, mit Ihnen damals relativ
00:22:55: klar geworden. Sie werben ja auch seit vielen, vielen Jahren schon dafür, das ein bisschen
00:22:58: deutlicher zu sehen. Meine Frage ist Stichwort "resilente Gesellschaft". Woran scheitert
00:23:03: es denn, dass die Politik das sich nicht traut, eine Gesellschaft klarzumachen, Deutschland
00:23:07: klarzumachen? Ist das wirklich nur Mangel der Mut? Ist es Berechnung, wenn das doch so
00:23:11: offensichtlich ist, was dafür alles passieren müsste? Stichwort zum Beispiel "Werpflicht".
00:23:15: Also ich glaube, man traut sich das nicht zu thematisieren, weil man der Bevölkerung
00:23:21: nichts zumuten will. Und damit meine ich jetzt gar nicht ein Angst zu erzeugen. Ich glaube,
00:23:25: man kann dieses Thema ansprechen, ohne Panik und Angst zu erzeugen. Aber Resilienz und
00:23:30: die Schaffung einer resilienten Gesellschaft ist insofern eine Zumutung, weil sie das Individuum
00:23:35: braucht und die Anstrengung des Individuums. Und eigentlich würde ich mal sagen, ehrlich
00:23:41: gesprochen, verfährt doch Politik noch immer so, wie Politik immer Verfahren ist, dem
00:23:45: Bürger und der Bürgerin zu sagen, macht euch keine Sorgen, wir regeln das. Das ist
00:23:49: der beste Modus. Der funktioniert halt nur nicht mehr. Jetzt müsste man sagen, wir regeln
00:23:54: das, aber wir brauchen euch. Ihr müsst auch was dafür tun, damit wir das schaffen. Und
00:23:58: ich glaube, das will man den Bürgern nicht zubuten. Jetzt sind wir wieder beim Wahlkampf.
00:24:02: Also im Wahlkampf ist es doch genauso. Keiner stellt sich hin und sagt, wir müssen mehr
00:24:06: Anstrengungen unternehmen in den nächsten Jahren. Und nicht nur aus Politik, sondern auch ihr
00:24:10: als Bürger. Oder ihr müsst vielleicht sogar auf Kleinigkeiten verzichten, damit es in
00:24:14: fünf Jahren wieder besser wird. Das macht ja keine. Sondern es wird immer so gesagt,
00:24:17: wir haben da Vorschläge, macht euch keine Sorgen, wenn wir in die Macht kommen, dann
00:24:20: regeln wir das schon. Und dieser Modus funktioniert nicht mehr, aber Politik funktioniert noch
00:24:24: nach diesem Modus. Wäre denn der Wiedereinführung der Werpflicht so etwas wie eine Modusänderung
00:24:29: oder zumindest eine ernsthafte Diskussion darüber? Also ich glaube, dass die Wiedereinführung
00:24:33: der Werpflicht so wie sie mal existierte kein realistisches Modell ist. Weil sie kostet
00:24:39: so viel, wir brauchen zu lange, um die Strukturen aufzubauen. Das ist kein realistisches Modell.
00:24:44: Ich glaube, aber wir kommen nicht umhin, diese Debatte über ein neues Modell der Werpflicht
00:24:49: in der nächsten Koalition zu führen. Die hat ja Pistorius eigentlich schon geführt,
00:24:52: nur Olaf Scholz hat sie ihm zerschossen, der halt vor den Wahlen, jetzt kommt es wieder,
00:24:57: niemanden etwas zumuten wollte. Man will halt nicht die Stimmen der, ich sag jetzt mal,
00:25:01: 18 bis 25-Jährigen riskieren, wenn man plötzlich die Partei ist, die so ein schwedisches Modell
00:25:05: der Werpflicht eingeführt hat, wo alle zwangsgemustert werden und einige werden dann gezogen. Aber
00:25:10: wir kommen um diese Frage nicht herum. Jetzt kommt aber der Punkt zur resilienten Gesellschaft.
00:25:14: Das wird uns nicht dabei helfen, resilient zu werden. Das wird natürlich den Fundus
00:25:18: von Leuten vergrößern, die sozusagen schießen können. Das ist durchaus sinnvoll, wenn sozusagen
00:25:24: das Worstcase-Szenario eintritt. Aber wenn ich sage, wir müssen eine resiliente Gesellschaft
00:25:27: schaffen, dann ist das vor allen Dingen die Frage, dass wir den Leuten in Erinnerung bringen müssen,
00:25:32: dass dieser demokratische Staatsform verteidigt werden muss. Dass Demokratie halt nicht umsonst
00:25:37: zu haben ist. Und wir sind nun mal Opfer, ich sag jetzt mal, des Erfolgs der Bundesrepublik Deutschland.
00:25:42: Also weil wir, wenn wir jetzt nur die Westdeutschen nehmen, die Ostdeutschen kommen dann halt nach
00:25:47: 1990 dazu. Aber für die Westdeutschen gilt doch, wir sind jetzt mittlerweile die zweieinhalbte
00:25:51: Generation, die doch nichts anderes kennt, dass einigermaßen Stabilität, Sicherheit und auf
00:25:56: die lange Perspektive ein immer wachsenden wirtschaftlichen Wohlstand. Und wir glauben,
00:26:00: das geht immer so weiter. Und wir nehmen diese demokratische Staatsform einfach als gegeben an.
00:26:04: Ist sie nicht, wissen wir alle. Wir werden attackiert, Demokratien können auch sterben. Sie sterben
00:26:10: anders als Autokratien, die implodieren meistens irgendwie in relativ kurzer Zeit Demokratien,
00:26:15: sozusagen sterben ganz langsam. Und wenn wir das Bewusstsein nicht wecken, dass diese demokratische
00:26:19: Staatsform es wert ist verteidigt zu werden und verteidigt werden muss und zwar nicht nur mit der
00:26:24: Waffe an der Hand irgendwo in der Ostfront, sondern ich sage mal im Minimalfall, wir alle im Gespräch
00:26:29: mit denjenigen, die daran zweifeln, dass die demokratische Staatsform eigentlich noch eine
00:26:34: angemessene Staatsform sozusagen für die Zukunft ist, dann werden wir auch keine Resilienz oder
00:26:39: Wehrhaftigkeit hinbekommen. Dann ist die Wehrpflicht ist dann nur ein Ausdruck dieser Bereitschaft,
00:26:43: das zu verteidigen. Aber einfach nur zu sagen, wir brauchen mehr Soldaten und deswegen machen
00:26:47: wir jetzt mal die Wehrpflicht. Dann kriegen wir Wehrpflichtige, die das machen, weil sie
00:26:50: gezwungen werden. Aber letzten Endes, die es nicht leben, weil ihnen nicht klar ist, was sie da machen.
00:26:54: Also finde ich sozusagen diese Diskussion müssen wir führen. Und wenn dieses Bewusstsein da ist,
00:26:58: dann werden sich auch mehr Leute dafür entscheiden, glaube ich, entweder zur Bundeswehr zu gehen oder
00:27:03: zu den Blauhilfsorganisationen, die Institutionen, die wichtig sind, aber die halt alle an Personalmangel
00:27:08: leiden. Vielleicht können wir zum Schluss nochmal zurückkommen auf die Münchner Sicherheitskonferenz,
00:27:13: die jetzt dann bevorsteht. Es ist so ein bisschen so eine Bubbleveranstaltung und Sie haben das
00:27:17: jetzt gerade so beschrieben, dass natürlich Demokratie zu verteidigen nicht eine Sache ist,
00:27:22: die nur Militärexperten oder Militärpersonal tun muss. Also wie ist Ihre Erwartung? Wird das
00:27:28: weiterhin ein Thema in der Bubble bleiben oder kann so eine Konferenz, die hat man eben auch schon
00:27:33: seit einigen Jahren stattfindet und trotzdem in der Breite der Gesellschaft nicht so viel
00:27:37: abgebildet wird, kann die die Debatte vielleicht auch das Bewusstsein verändern? Nein, die Konferenz
00:27:42: kann die Debatte und das Bewusstsein nicht verändern, aber die Konferenz ist eine Möglichkeit für einen
00:27:45: deutschen Bundeskanzler zum Beispiel, der der Rede da mal einen Schwerpunkt drauf zu legen. Das sind
00:27:49: ja die Reden, die dann im Fernsehen laufen, wo es ein Follow-up im deutschen Bundesstaat gibt und
00:27:54: wo man dann dafür sorgen muss, dass sozusagen so ein Trickle-Down-Effekt stattfindet in die Länder,
00:27:59: in die Kommunen etc. Ich glaube, dieses ganze Punkt von Resilienz hängt entscheidend vom
00:28:03: politischer Führung ab, weil die meisten Menschen richtigerweise interessieren sich nicht für
00:28:08: Außensicherheit, für Verteidigungspolitik, es betrifft ihr tagtägliches Leben nicht. Wenn ich so
00:28:12: was will, dann muss ich politische Führung übernehmen und dann reicht es meines Erachtens nicht aus,
00:28:16: wenn das ein Verteidigungsminister versucht zu machen. Da muss ein Bundeskanzler ran, da muss
00:28:21: eine Innenministerin ran, die müssen das thematisieren und dann haben wir den Beginn einer
00:28:26: gesellschaftlichen Debatte, aber wenn es keine politische Führung gibt, werden wir auf ewig nicht
00:28:30: resilient werden, weil es kommt nicht von unten hoch. Da sitzt keiner im Allgäu und sagt,
00:28:35: jetzt muss ich aber mal meine Sachen einbogen, kann es mit Kocher machen oder vielleicht dafür
00:28:41: sorgen, dass ich zum THW gehe oder so was. Das passiert doch nicht. Du bist nur in Ausnahme
00:28:45: für Englöbchen. In Ausnahme für Englöbchen, das ist richtig, schuldigung. Wir haben mit
00:28:48: Karl-Marzala gesprochen, Professor für Internationale Politik an der Bundeswehr-Universität München
00:28:53: zum Start der Münchersicherheitskonferenz. Vielen Dank für Ihre Einschätzung und
00:28:57: Anordnungen. Ich danke nochmals für die Einladung. Puh, da war ja wieder viel drin in dieser
00:29:06: Folge von POTS und die Welt. Katarina, was ist dir dann besonders in Erinnerung geblieben?
00:29:11: Also ich nehme noch mal viele offene Fragen mit. Ich fand ganz interessant diese Analyse,
00:29:18: dass eigentlich ein Mandat für eine europäische Truppe überhaupt nicht greifbar ist, weil
00:29:23: es gar nicht klar ist, wer so eins überhaupt ausgeben könnte. Auch diese Tendenz in der
00:29:27: europäischen Verteidigungspolitik hin zu mehr Bilateralisierung. Dass wir in Deutschland
00:29:32: eben dieses große Versäumnis haben, nie so eine richtige Strategie in Sachen Ukraine
00:29:35: gehabt zu haben. Und ich finde noch mal interessant, weil wir es schon häufiger jetzt im Podcast
00:29:39: hatten, dass so der Politikstil aller "Wir kümmern uns drum", dass das einfach nicht mehr zeitgemäß
00:29:44: ist und natürlich sehr schön auf den Punkt gebracht nochmal dieser Satz "Demokratie
00:29:48: ist nicht umsonst zu haben". Der, finde ich, ist wirklich, ja, wirkt noch nach. Martin,
00:29:53: wie ging es dir? Da wort ganz vieles nach, Katarina, finde ich. Einmal bin ich ganz
00:29:57: bei dir die vielen Fakten, die Carla Masala genannt hat, diese weit über 1000 Kilometer
00:30:03: lange Grenze, wie viele Soldatinnen und Soldaten bräuchte man eigentlich, um die zu sichern,
00:30:07: welches Mandat woher etc. Dann aber vor allem seinen Hinweis auf diesen sehr, sehr provincialen
00:30:12: Wahlkampf. Also dass diese Themen die Welt brennt, ob man damals überhaupt nicht über
00:30:16: den Sudan gesprochen, über Mali, über Korea, über den Abbau der Demokratie in Amerika
00:30:21: etc. Und dass das alles in Deutschland keine wirkliche Rolle spielt, diese Zumotungslosigkeit,
00:30:27: dass wir machen das für euch, wir kriegen das irgendwie hin und eben nichts umzuschalten
00:30:32: und zu sagen, da muss sich auch Politik einfach fundamental ändern. Das finde ich sehr beunruhigend.
00:30:37: Das ist tatsächlich ein bisschen mehr als das etwas nachschwingen würde jetzt, aber ja,
00:30:42: dafür sind wir auch da drauf, die Dinge hinzuweisen, die eben ein bisschen länger und dunkler nachklingen,
00:30:47: vielleicht.
00:30:51: Das nächste außenpolitische Update von uns, bekommen Sie in zwei Wochen. Deutschland wird
00:30:55: dann gewählt haben, wir wollen darauf schauen, was das neu zusammengesetzte Parlament,
00:31:00: einschließlich eben der Regierungsbank, in Sachen Außenpolitik so alles bewegen sollte
00:31:04: bzw. bewegen wird. Genau und wenn wir schon in Richtung Foto 2 unterwegs sind, in zwei
00:31:10: Wochen wird auch die neue IP erschienen sein, die Zeitschrift International der Politik.
00:31:14: Sie widmet sich der Frage, was erwartet eigentlich die Welt von Deutschland nach der Wahl? Sie
00:31:18: können sie am Kiosk kaufen oder sehr gerne auf Ihren Pappen beziehen. Wir hören uns
00:31:22: wenn Sie mögen gerne wieder bei Port und die Welt. Ich bin Katharina Peetz und ich bin
00:31:27: Martin Gellekke auf Wiederhören.
00:31:30: [MUSIK]
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